Wie lernt man Land und Leute kennen
„Alter Schwede“, möchte man dem Dichter Klaus Martens anerkennend nach der Lektüre seines Schwedenbuches zurufen, das, wie es im Klappentext steht, ein subjektives Kursbuch in unser „inneres Schweden“ ist. Er und seine Familie sind auf eine eigene Weise in Schweden angekommen, nachdem sie dort in vielen Jahren in Blekinge, in ihren Lieblingslandstrichen, den Wäldern und Seen des südlichen Smalandes zwar nicht nur, aber mehrmals im Jahr zu Gast und dennoch zuhause waren, gibt es nun ein wirkliches Heim.
Dieses Reise- und Heimatbuch unterscheidet sich von den üblichen Reisebüchern erheblich. Es zählt keine Sehenswürdigkeiten auf, ist kein Ratgeber oder Sachbuch, obwohl es ihm an guten und wissenswerten Ratschlägen nicht fehlt. Es ist die Geschichte einer allmählichen Entdeckung, so wie auch die Liebe funktioniert - wunderschön erzählt, die Geschichte einer Familie, die nach Schweden in Urlaub fährt und sich dort immer mehr dem Gefühl ausliefert, angekommen zu sein.
Geschickt verknüpft Klaus Martens die einzelnen Stationen dieser Liebesgeschichte, indem er sie in den Ablauf der Jahreszeiten bettet. Er schreibt in einfacher, heiterer Sprache vom Anfang auf das offene Ende zu, mit viel Humor und der verhaltenen Poesie, die man von ihm als Lyriker kennt. Er belehrt nicht, berichtet engagiert und unangestrengt, wie alles begann und wie sie sich entwickelte, diese Liebe auf den ersten, auf den zweiten und wiederholten Blick.
„Wie es dazu kam“ oder „Wir bleiben“ oder „Die Seen“, „Die Boote“ oder auch „Eingeschneit“- die Kapitelüberschriften zeigen, wo und wie es langgeht und dabei versteht Klaus Martens einen Sog herzustellen, seine Sprache ist nicht darauf angelegt zu glänzen, sondern Glanz darzustellen, teilt, selbst Gefühle und der Leser kann sich im ganz Alltäglichen wiedererkennen. Das macht dieses Buch zu einer spannenden und sympathischen Lektüre. Und wird manchen dazu verführen, es dem Autor gleich zu tun, was dieser durchaus beabsichtigt. „Dieses Buch soll Appetit auf den Norden machen“, schreibt er. Ob es von der Anstrengung berichtet, den ersten Elch zu sehen, von den Begegnungen mit den Nachbarn und Menschen, den Norwegerpferden, von Floh- und Antikmärkten oder „dem Märchenwald“. Man lernt das „Land“ von Klaus Martens, das Land, das er in Schweden findet, genau und präzise kennen. Es ist ein mögliches Land, aber immerhin da. Ein Innerhalb im Außen. Und er bleibt diesem Außen gegenüber auf liebenswürdig-gutmütige Art kritisch, erzählt im Vorbeigehen auch von der Geschichte des Landes und ihren Bewohnern.
Eines der für mich eindruckvollsten Kapitel entwickelt sich unter dem Titel „Was auch anders ist“ - ein Vergleich mit Deutschland und Amerika, was in der tröstlichen Feststellung gipfelt, in Schweden sei vieles heil geblieben. „Im wörtlichen Sinn unverletzt.“ Es folgt eine nachdenkliche und berührende Analyse, die neugierig macht. Und es folgt der Hauskauf und die damit einhergehenden Risiken und Probleme. Es wird alles gut: „Wir sindalle da, mitten im Leben, in diesem perfekten Augenblick.“
Mit Liebeserklärungen hat Klaus Martens sein Buch gespickt, und angereichert mit seinen unverwechselbaren Gedichten. Bekannternaßen unterschätzt und dennoch aus der ersten Liga. „In Schweden“, „Gänseflug“, „Bienenwirt“, „Schlafendes Boot“ oder „Rilke fliegt über Schonen“ fliegen ins Buch und aus ihm heraus und machen es leicht, trotz der Kompression in ihnen. Landschaften, Jahreszeiten, Boote, Gänse, Schnee, sprachliche Höhepunkte „wenn geräuschlos/ ein einzelner Reiter sein Pferd schweigend führt,/ dann hebt sich das Herz, belebt sich der Wald mit Träumen“. Deshalb Schweden. Weil es zuläßt.
Auch dieser Gedichte wegen, muss dieses ungewöhnliche, persönliche, wissensreiche Buch gelesen und empfohlen werden. Last not least ist es mit herrlichen Fotographien von Johanne Martens versehen, welche den Text auf besondere Art und Weise vervollständigen und sichtbar machen.
Fixpoetry 2011
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben