„trotz Sonnenscheins leicht fröstelnd”
Liebe kann eine Reise sein, eine „Beziehungsreise” – dies auch der schöne Titel von Sabine M. Grubers Roman, wobei das M. wichtig ist, es handelt sich hier nämlich nicht um die gleichfalls beachtenswerte Autorin Sabine Gruber. Liebe als Reise hat aber, wie das Buch zeigt, zwei Vektoren, es kann auch ein retrospektives Sich-Verorten sein, zumal am Ende der Liebe. Dann geht es um Heimat, „Heimat ist dort, wo die Dinge Geschichten haben.” (Ursula Baatz) Gruber erzählt diese Geschichten und daraus eine Geschichte, eben: der Liebe.
Die Liebe, die zerfällt, wird hier harmonisiert, weil retrospektiv, so könnte man meinen – doch das stimmte nur, wenn die Idyllik des Anfangs durch die Zeit hindurch noch stimmte; so sind die Irritationen hier ständig da, fehlen sie, sah man sie nicht.
So wird getrennt gelesen: „Er will Sophia nicht Anteil nehmen lassen an seiner Lektüre” – die aber doch da ist, Sophia nimmt „verstohlen [...] Sätze wahr”, sie und das Buch sind ein Widerspruch, zumal sie und ihr Noch-Partner die Begeisterung für Feuchtgebiete schwerlich teilen, durchaus im Einklang mit dem Rezensenten, nebenbei bemerkt, diese neue Gattung langweiliger Pornographie, die dennoch oder gerade darum, weil sie sich qua Trivialpsychologie zügelt, es zur Literatur nicht recht bringt: Roche langweilt.
Liest Sophias schlechtere Hälfte die Bücher nun als Stimulation? Es scheint so. Unterstellt sie’s, ist es „Einmischung in seine beruflichen Angelegenheiten”, da er Rezensent ist? Wohl eher nicht. Die morawische Nacht liest sie; das will er nicht lesen: „Fast bettelt sie”, auf dass er sie ernstnehme – auf Zeit. Handke hat gegen seine Lektüre doch keine Chance...
Schon zuvor läßt er sich, wie man weiter- oder zurückschreitend erfährt, nichts geben, allenfalls vom Fatum. „Fast wirkt er enttäuscht. Dass es nichts Aussichts- und Hoffnungsloses ist.” Sowenig Pathos ist dem Impotenten, denn darum geht es in dieser Passage, nicht zumutbar, gewissermaßen.
Je früher, desto inniger aber eigentlich wortloser ist, worin sich die beiden verstrickt haben, das Aufdröseln ist eine Archäologie von Schweigen. Wunderbar ist etwa die Beschreibung des Gesprächs, als alles heiter und amüsant ist – alles ist: „Schön, [...] wunderschön.” Und die Entgegnung ist eher Resonanz: „Nicht wahr”..? Was „mehrliebig” ist, dünnt sich aus. Das Ende, der Anfang, erweist sich schließlich als möglicherweise zweifacher: Was ausgedacht ist, gestattet, nun wieder vorwärts zu schreiten.
Gruber ist ein sehr schönes, an Zwischentönen reiches Buch von milder, liebevoller Bitternis geglückt. In manchen Passagen wäre das Dissonieren, worum es geht, vernehmlicher denkbar, etwa in der einseitigen Szenerie inkompatibler Lektüren, wo die Parteinahme subtiler hätte ausfallen können; doch ist zugleich der Weg von der Sicht Sophias zu gar keiner: sondern zu bloß mechanisch ineinander verschachtelten Liebesdiskurs-Stereotypen, die man, das Ende, womit alles hier beginnt, memorierend, anders und nicht als Mitspieler liest, gerade höchst stimmig.
Alles in allem ist dieser Roman also eine Entdeckungsreise, eine Beziehung betreffend, die sich entzieht – und zur Lektüre anzuempfehlen.
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