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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Nachfolge Christi im Japan des 17. Jahrhunderts

Ein historischer Roman von Shusaku Endo
Hamburg

Der Schriftsteller Shusaku Endo gehörte zu der kleinen christlichen Minderheit japanischer Christen, deren Ursprung auf die Missionstätigkeit portugiesischer Patres zurückgeht. Nachdem die Missionare zunächst eher wohlwollend aufgenommen worden waren, gab es Ende des 16. Jahrhunderts einen radikalen Schwenk in der Religionspolitik der Behörden, und eine teils grausame Christenverfolgung begann. Von diesen Ereignissen erzählt Endo in seinem historischen Roman Das Schweigen, den  der Wiener Septime Verlag nun in verbesserter deutscher Übersetzung herausbringt – dankenswerter Weise, auch wenn man dieses Werk nicht in jeder Hinsicht goutieren muss.

Der Titel bezieht sich auf ein uraltes christliches, zuvor schon im Alten Testament abgehandeltes Thema, nämlich das Schweigen Gottes. Endos Roman ist eine japanische Theodizee, deren gedanklich-erzählerische Wege sich nicht wesentlich von den Theodizeen unterscheiden, die man aus der europäischen Literaturgeschichte kennt. Wie kann es ein angeblich guter Gott zulassen, dass seine Gläubigen auf Proben gestellt werden, die sie unmöglich bestehen können? Auch Endos Hauptfigur verfällt auf allerlei Spitzfindigkeiten, um sich am Ende einzureden, daß Gott doch nicht geschwiegen habe und in all dem Blutvergießen, den Folterungen und seelischen Grausamkeiten, ein heilsgeschichtlicher Sinn liege. In einer Zeit, in der Verfechter einer monotheistischen Religion Gewalt gegen Anders- und Ungläubige rechtfertigen und anwenden, fällt es dem aufgeklärten europäischen Leser schwer, diesen Geschichten aus dem 17. Jahrhundert widerspruchslos zu folgen. Während in Japan Christen unterdrückt wurden, stellte die christliche Behörde namens Inquisition in Spanien und anderen europäischen Ländern Ketzer und Andersgläubige, vor allem Juden, an den Pranger und töteten sie in vielen Fällen. Aus all dem wäre doch der Schluss zu ziehen, daß Gott nicht existiert, jedenfalls kein guter.

So weit will Endo nicht gehen. Als herausragender Erzähler, der er ist, beschränkt er sich auf die Wiedergabe von Geschichten, Konstellationen und Seelenqualen. Der Roman ist geschickt komponiert, hält einen zügigen Rhythmus und verknüpft wiederkehrende Motiv zu einem die Anekdoten überhöhenden Bedeutungsgeflecht. Etwas störend die Wechsel verschiedener Register, vor allem, wenn nach mehreren Kapiteln Tagebuchbericht plötzlich ein Wechsel zur Er-Form stattfindet und gegen Ende noch einmal ein Tagebuch eines anderen Verfassers angehängt wird. Die Leiden portugiesischer und japanischer Christen liest man mit Interesse, zuweilen mit angehaltenem Atem. Ein wenig penetrant wirken hingegen die immer wieder beschworene Imitatio Christi und die übrigen Parallelen zur Leidensgeschichte des Erlösers vom Judasverrat bis hin zur Gottverlassenheit des Gekreuzigten. Seltsame Fabeln, die weit zurückzuliegen scheinen...

Shusaku Endo
Schweigen
Aus dem Japanischen von Ruth Linhart. Vorwort: Martin Scorsese Nachwort 1: Shusaku Endo Nachwort 2: William Johnston
Septime
2015 · 312 Seiten · 22,95 Euro
ISBN:
978-3-902711-40-3

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