Reformstau: Luther, in Stimmen aus fünf Jahrhunderten
Luther ist in diesem Jahr kaum zu entgehen. Man sich wohl entscheiden, wie tief die Beschäftigung gehen solle, aber selbst an unverdächtigen Orten ist er plötzlich da:1.
Wenn das einem nicht genug ist, so ist der Abriß Luther und die Deutschen sehr zu empfehlen, der Stimmen aus fünf Jahrhunderten sammelt. Hier lernt man aus verschiedensten Blickwinkeln den Glaubenstreuen kennen, der reformierte, wo all das, was man heute mit Limburg assoziiert, Stiftungen, Profite, … begann. Vor Luther: Geldflüsse. „Das machte Andacht”, wie über päpstliche Zuwendungen Luthers Zeitgenosse und Mitstreiter Friedrich Myconius sagt. Man lernt jenen kennen, der die Bibel liest, „das heilig Grab, welches ist die Heilige Schrift, die der Papst […] belegt hatte”, so nochmals Friedrich Myconius, und zwar „mit Wächtern, daß ja Christus nicht aufstünd”…
Man lernt auch den kennen, der aus Bibeltreue nicht nur die Bibel las, „Cicero, Vergil, Livius und andere”, aber ebenso lernt man – neben manch übler Nachrede –, wenn man es nicht wußte, von Luthers Antisemitismus, daß „alle Juden […] endlich zu Grund […] gehen müssen” (78), reich in seinen Schriften belegt. Daß dieser Antisemitismus, wie unlängst Karl-Heinz Göttert (in Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme) vorschlug, als Propaganda wider jene, die das Alte Testament genau kannten und sehen mußten, wie Luther seine Theologie in seine Übertragung schmuggelte, zu lesen sei, wäre übrigens eine Ergänzung zu dem sonst sehr gelungenen Band, die zu machen sich lohnte: Daß das Moderne an Luther in zu einem taktisch begründeten Ressentiment verführte, ist eine tragische Pointe, die an Luthers Bild immer mißbehagen wird.
Zurück zum vorliegenden Band: Facettenreich und solide zugleich arbeitet er über die Rezeption einerseits Luthers Folgen und von ihm Angezeigtes – das oft noch besteht – und porträtiert diesen Reformer zudem aufs Spannendste. Eine lohnende Lektüre.
Mit Stimmen von: Philipp Melanchthon, Johannes Cochläus. Gotthold Ephraim Lessing. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Heinrich Heine, Leopold von Ranke, Friedrich Engels, Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch, Thomas Mann,, Bernd Moeller, Heiko A. Oberman und anderen.
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