Nagel und Kopf
Thomas Nagels Einführung in die Philosophie ist altbewährt; und nun Teil der Reclam-Reihe, die den Titel trägt, den jene Einführung hat: Was bedeutet das alles? – Anlaß, auf Nagels feines Büchlein wieder hinzuweisen. Was sie auszeichnet? Das Talent Nagels, fast hemdsärmelig den Leser doch recht verläßlich in einige Grundfragen des Lebens einzuführen, die die Philosophie beschäftigen und sie vielleicht auch konstituieren.
Etwa, was das Erleben ausmache, wie subjektiv Schmerz sei:
„Woher weiß ich, dass er eine Empfindung des Typs hat, den ich einen Geschmack nennen würde, wenn er etwas in den Mund nimmt? Nach allem, was ich weiß, könnte es sich um etwas handeln, das ich einen Ton nennen würde – oder womöglich um etwas ganz anderes, das ich noch nie erlebt habe und mir auch nicht vorstellen kann.”
Und von diesem Rätsel kommt es zum Erleben als Sprung in der Physik, die, solange wir „das Bewusstsein” noch (?) nicht „mit irgendeinem physikalischen Zustand identifizieren können”, keine „Einheitswissenschaft vom Universum” sein wird – übrigens die Pointe manchen Streits von Sheldon und Amy in The Big Bang Theory, die Intelligenz der Sitcom drückt sich darin aus, daß der brillante Physiker von der Neurowissenschaftlerin in praktisch jeder Hinsicht heimgesucht wird, auch in seiner Theorie … aber das nur am Rande.
Philosophie? Der Grundkonsens, etwas sei, aber … zum Beispiel: „Jeder stirbt, doch nicht alle sind sich darüber einig, was der Tod ist.” Und daran anschließend wird das Aporetische, das also, wo man nicht weiterkomme, von Nagel umrissen, mit einem Talent fürs Bildliche, der analytischen Richtung der Philosophie verpflichtet, doch ohne Umwege über Fußnoten, weshalb, wer das Buch liest, in der Tat ein wenig zu philosophieren lernt; aber nicht, sich in der Philosophie zu orientieren. Das war auch nicht Nagels Ehrgeiz, man kann es an wenigen Stellen als Schwäche auffassen, nämlich, wo Nagels Position sich als die Position ausnimmt. Andererseits: Philosophie nur als ihre Schulen? Sie als Disziplin, die als solche sich manchmal auch zu verlieren droht..? – Vielleicht wäre es manchmal zu begrüßen, was Nagel tut, nämlich vor den Augen seiner Leser einfach oder doch nicht so einfach loszudenken, ansprechend, herausfordernd, eben ohne das, was akademisch Standards sichern will, aber vergißt, daß sich die heute akademischsten Vorgänge, nämlich Projektanträge und Drittmitteleinwerbung, zum Beispiel mit Platonismus bestenfalls mäßig vertragen könnten…
Der Text Nagels wird im nächsten Jahr seinen 30. Geburtstag feiern. Er hat sich glänzend gehalten, ist so durchaus erfrischend, wie er es beim Erscheinen war, ja, nicht immer so subtil, wie man es sich wünschte, aber so subtil, wie die Frage, was „das alles” bedeute, derart knapp, auf etwa 100 Seiten nämlich, behandelt werden kann.
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