Zwischen Temeswar, Cannes und Ludwigsburg
Traian Pop Traians neues Buch mit dem vielversprechenden Titel Die 53. Woche ist ein Ausnahmebuch, eine wahre Blütenlese von Traian Pops Gedichten, verfasst auf Rumänisch, die von fünf ebenfalls aus Rumänien stammenden Übersetzern ins Deutsche übertragen worden sind. Es sind deshalb nicht nur von Typ, Form, Art und Thema unterschiedliche, sondern auch durch den Ton der Übersetzer in mehreren Farben vorgestellte Gedichte, deren Grundtönung dennoch unverwechselbar Traian Pops bleibt. Georg Scherg, vielleicht der älteste und profilierteste Literat aus dem Kreis der beteiligten Deutsch-Rumänen, gibt in seinem kenntnisreichen, bereits 2000 geschriebenen, Nachwort einen eindrücklichen Steckbrief des Dichters: „Traian Pop aus dem Kreis Temeswar . . . gilt ohne Vorbehalt als ‚Rebell’ der achtziger Jahre, als ‚Zorniger’, wenn nicht als Rädelsführer unter den rumänischen Poeten im Widerstand gegen die Diktatur.“ Scherg weist darauf hin, dass es wegen der damals waltenden offiziellen Zensur, die zu manchen Streichungen geführt haben mag, weniger auf das Was des Sagens als auf das Wie angekommen sei. So ist auch die Sprache Traians weniger „poetisch“ und „schön“ als recht direkt, unverschnörkelt und im Alltag verhaftet; doch entscheidet der Ton – und die Bereitschaft des Lesers, sich dem Text anzuvertrauen, der ihn (und sich) nach vorn trägt, bis heute.
werde sein
du wirst wissen Mutter dass ich das Leben mag
es nicht verplempern will Tag für Tag
meine Augen wäscht mir der Nebel
meine Fußsohlen sind rissig geworden beim Durchwaten
der Flüsse die spitzen Steine
schmerzen noch immer
werde in der jungfräulichen Welt ein Kind sein
das sich nicht für dumm verkaufen läßt
Reisender der nicht an Fahrkarten und Abrechnung denkt
Ausgegrenzter im Geschwafel der anderen
oder nur Dieb im Apfelgarten Holzäpfel
werde ein Rädchen sein
das noch fehlt im Getriebe des Uhrwerks
aber versuche nicht mich jetzt schon zu zähmen
Mutter
Ich hätte dies gern auf Rumänisch gelesen und gehört und verstanden, wenn auch nur um zu sehen, ob der durchlaufende, hüpfende, springende Gang der Gedanken und Wörter des Monologs emphatischer noch ist, als schon hier. Die Apostrophe, scheint mir, ist an die Zivilisation gerichtet, als deren Kind er aufgewachsen ist. Hier ist ein Drängen der Gedanken und ein Ringen um Selbstdefinition, der uns auch in seinen Apostrophen nicht mehr geläufig zu sein scheint, der den Leser – diesen Leser – aber unmittelbar zu berühren vermag.
„Die 53. Woche“ – das erregte sechsteilige Titelgedicht mit seinen verblüffenden Einsichten und Ansichten, vorgetragen in aufgeregten und aufregenden cinematografischen Schnittsequenzen, durchfährt und umkreist das Zentrum des Buches, nämlich das Zentrum deutsch- und rumänischsprachiger dichterischer Existenz im Schatten politischer Gefährdung in Temeswar. Es ist 1982 datiert, als der Autor mit seinen Freunden gegen Regime und Gesellschaftszwang der damaligen Zeit aufbegehrte und bemüht war, in diesem krisenhaften Umfeld zu überleben. Das ging mit Mut und Humor und dem Willen zu Abkehr und Experiment in Gedanke und Form.
Das Buch ist ein Sammelband und enthält Gedichte von Traian Pop Traian, die zwischen 1974 und 2002 geschrieben worden sind, Gedichte entworfen zwischen verlorener Heimat und Exil, zwischen Temeswar, Cannes und Ludwigsburg, wo der Autor-Verleger heute einen Verlag leitet, der vielen Autoren aus seinem alten Kulturkreis, neue und ältere, aber auch neu entdeckten Autoren eine Heimat bietet. Das vorliegende Buch ist jedoch mehr als das historische Dokument einer nie verstummenden lyrischen Stimme von großer Kraft. Es ist in seinem lyrischen Dokumenten des Aufbegehens gegen eine erstickende Ordnung die unverzichtbare Stimme literarisch-politischer Revolution. Ihr ist zuzuhören.
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