Lesart
Alfred Mombert* 1872† 1942

Sechster Denker - Der Scheiterhaufen

Die Wolken. Ich liebte die Wolken.
Das Eisfeld, das am Mittag glühend dröhnt
Und sich hinunterwirft ins Unbekannte.
Mein Wagen rollte droben im Licht,
und es war eine Seele
jedes seiner blauen Räder.

Von Ferne

Nicht gedanklich, aber stilistisch bietet er schwere, manchmal auch unnötig angereicherte Kost, der einmal berühmte, umstrittene, heute beinahe vergessene Dichter, an den ich erinnern will  – Alfred Mombert (1872-1942). Seine nachgefragten Bände an der Wende ins zwanzigste Jahrhundert hießen: Der Glühende, Der Denker, Tag und Nacht, Die Schöpfung. Der Autor verstand jedoch seine Einzelbände als ein ganzes, zusammenhängendes Werk, weniger Lyrik als Musik, als eine sinfonische Großdichtung in Sprache.  Mombert ist einer der vergessenen, manchmal pathetischen Visionäre seiner Zeit.  Das Land, das er überblickt, ist müde, aber noch nicht Eliotisch verwüstet. Es ist 1902, nicht 1922. Aufbruch und Ausbruch des Einzelnen sind denkbar. Die durch Symbolismus und Ästhetizismus verwandelte Romantik eines Novalis mit ihrem Fernweh und der Verklärung des Eigenen und des Ich sowie ihrem Hang zur Kosmologie gibt weiterhin Energie ab.  

Natürlich ist uns das alles fremd und weit weg. Wir sind literarisch mit schmaler, mit schlanker Kost aufgewachsen. Das ist recht so:  Kein Fett in der Syntax, keine plusternden Wörter, kein gestikulierendes Leid. Nein, als Erben der Modernismen mögen wir unsere Kost gern ausgebeint, entschlackt, vor allem aber mit etwas Ironie bestreut, mit frischem geriebenem sexuellem Pfeffer garniert.  

Das war anders vor hundert Jahren in den prächtigen Häusern Georges und Rilkes und noch vor den eklektischen, eher spartanischen Räumen der Expressionisten, an deren Schwelle Mombert schon steht, entfernt von den schiefen Ebenen des Dada.  Für ein paar Jahre nach der Jahrhundertwende war Alfred Mombert (zugleich mit Else Lasker-Schüler) berühmt.

Alfred Mombert sah (Ralph Waldo Emerson nicht unähnlich) eine Durchlässigkeit zwischen innerer und äußerer Welt, zwischen Fahren und Erfahrung, die Schritt für Schritt aufeinander zu gehen. So auch die Gedichte selbst, die alle Teile eines größeren, übergreifenden Schöpfungswerks sein wollen – ein ungeheurer Anspruch, den Mombert in seinem immer weiter wachsenden Riesenwerk, auf eine noch nicht angekommene Zukunft vertrauend, bis zuletzt weiter anmeldet.  Die Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs, der Zwanziger Jahre und des geistigen Abstiegs der Nazi-Episode boten Momberts Lyrik keinen günstigen Boden.  Ich meine, wir können uns an ausgewählte Teile seines Werkes heranwagen und Alfred Mombert, so hätte er es vielleicht gesehen, heimholen.

Schlafend trägt man mich
in mein Heimatland
Ferne komm´ ich her,
über Gipfel, über Schlünde,
über ein dunkles Meer
in mein Heimatland.
(Der Glühende, Canto 56)

Alfred Mombert teilte diese Sehnsucht nach der noch zu bauenden Heimat, konkret und als Heimat der Sprache, mit Maximilian Dauthendey, Otto zur Linde, Rudolf Pannwitz, die zu Unrecht von den Lesern Vergessenen. Trotz der Prise Pathos.

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