Reading An Anthology Of Chinese Poems Of The Sung Dynasty, I Pause To Admire The Length And Clarity Of Their Titles
It seems these poets have nothing
up their ample sleeves
they turn over so many cards so early,
telling us before the first line
whether it is wet or dry,
night or day, the season the man is standing in,
even how much he has had to drink.
Maybe it is autumn and he is looking at a sparrow.
Maybe it is snowing on a town with a beautiful name.
"Viewing Peonies at the Temple of Good Fortune
on a Cloudy Afternoon" is one of Sun Tung Po's.
"Dipping Water from the River and Simmering Tea"
is another one, or just
"On a Boat, Awake at Night."
And Lu Yu takes the simple rice cake with
"In a Boat on a Summer Evening
I Heard the Cry of a Waterbird.
It Was Very Sad and Seemed To Be Saying
My Woman Is Cruel--Moved, I Wrote This Poem."
There is no iron turnstile to push against here
as with headings like "Vortex on a String,"
"The Horn of Neurosis," or whatever.
No confusingly inscribed welcome mat to puzzle over.
Instead, "I Walk Out on a Summer Morning
to the Sound of Birds and a Waterfall"
is a beaded curtain brushing over my shoulders.
And "Ten Days of Spring Rain Have Kept Me Indoors"
is a servant who shows me into the room
where a poet with a thin beard
is sitting on a mat with a jug of wine
whispering something about clouds and cold wind,
about sickness and the loss of friends.
How easy he has made it for me to enter here,
to sit down in a corner,
cross my legs like his, and listen.
Beim Lesen einer Anthologie chinesischer Gedichte aus der Sung Dynastie, halte ich inne, um Länge und Klarheit ihrer Titel zu bewundern
Fast scheint es, als hätten diese Dichter nichts
in ihren weiten Ärmeln versteckt,
so früh decken sie ihr Blatt auf.
Schon vor der ersten Zeile lassen sie uns wissen,
ob es draußen nass oder trocken ist,
Tag oder Nacht, welche Jahreszeit und wieviel
sie zu trinken hatten.
Mal ist Herbst, und man erblickt gerade einen Sperling.
Mal schneit es über einer Stadt mit einem wunderbaren Namen.
"Pfingstrosen am Glückstempel an einem
wolkigen Nachmittag" ist der Titel eines Gedichts von Sun Tung Po.
"Tee aus frisch geschöpftem Flusswasser brühen"
ein anderer oder einfach nur
"Nächtliches Wachen auf einem Schiff".
Und Lu Yu schreibt, einfach wie ein Reiskuchen,
“An einem Sommerabend hörte ich den Schrei eines Wasservogels.
Er war sehr traurig und schien zu sagen, meine Frau ist grausam - -
ich war gerührt und schrieb dieses Gedicht".
Da ist kein eisernes Drehkreuz weit und breit, an dem man diesen Titeln
mit Űberschriften wie "Wirbel auf einer Saite",
"Das Horn der Neurose" oder Ähnlichem die Stirn bieten könnte.
Keine verwirrend beschriftete Willkommensmatte, über die es sich zu rätseln lohnte.
"Zum Gesang der Vögel und beim Rauschen eines Wasserfalls
schreite ich durch einen Sommermorgen" dagegen
streift meine Schultern wie ein Perlenvorhang.
Und "Zehn Tage Frühjahrsregen haben mich im Haus gehalten"
ist ein Diener, der mir erlaubt, Blicke in einen Raum zu werfen,
in dem ein dünnbärtiger Dichter
mit einem Krug Wein auf einer Matte sitzt
und etwas von Wolken und kaltem Wind,
von Krankheit und dem Verlust von Freunden flüstert.
Wie einfach er es mir gemacht hat, seine Räume zu betreten,
mich in eine Ecke zu setzen,
gleich ihm meine Beine zu kreuzen und zu lauschen.
Aus dem amerikanischen Englisch von Stefanie Golisch
Großes Vertrauen in die Zukunft der Poesie
Kalligraphie von Li Bai, Quelle: Wikipedia
Gedichte können unzählige persönliche Bedeutungsnuancen annehmen und die unterschiedlichsten Reaktionen auslösen; sie können auf emotionaler ebenso wie auf intellektueller Ebene wirken, können an Gefühle rühren, Erinnerungen freisetzen und nicht zuletzt der geistigen Stimulation dienen. Gedichte können, je nachdem, besänftigen oder aufpeitschen, Trost spenden oder zum Widerspruch herausfordern. Das richtige Gedicht zum richtigen Zeitpunkt kann einen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes verrücken, und bisweilen wird einer Zeile oder einer Metapher sogar das Glück zuteil, ihn sein ganzes Leben lang begleiten zu dürfen. In extremen Situationen kann, wie häufig bezeugt, ein Gedicht, das man einmal auswendig gelernt hat, sogar lebensrettend sein.
Für den zur Poesie Begabten bergen solche Begegnungen, nicht anders als die mit lebendigen Menschen, eine Fülle ungeahnter, wunderbarer und abgründiger Möglichkeiten in sich.
Billy Collins Gedicht über seine Lektüre einer chinesischen Anthologie macht mir unmittelbar die schier unausschöpflichen Kraftquellen lyrischen Sprechens deutlich. Als seien nicht tausend Jahre, sondern nur ein einziger Tag verstrichen, betritt er die stillen Räume und Gärten seiner Vorgänger mit der Diskretion eines fernen Freundes. Und wird reich belohnt.
Unangefochen vom Gesetz des Werdens und Vergehens blüht vor seinen Augen die Pfingstrose ihren Traum von Schönheit in die Zeitlosigkeit der immateriellen Wirklichkeit. Gestern und Heute verschmilzen zu konzentrierter Gegenwart.
Vor dem Zauber milder Sommerabende ebenso wie vor dem herzzerreißenden Klagelied des Wasservogels, verneigt sich der Autor, indem er ihre Schönheit und ihren Schmerz in die jederzeit erlebbare Gegenwart seines Gedichts fließen lässt.
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