Das Gesetz
Das Gesetz
ist ein Netz
mit Maschen, engen und weiten;
durch die weiten
schlüpfen die Gescheiten,
und in den engen
bleiben die Dummen hängen.
Alles war krank – und wer sollte das heilen?
Justus Frey (1799-1878) war Mediziner, hat immerhin den Zusammenhang zwischen Quecksilbergaben und Knochenleiden in der Syphilis untersucht (und schlug vor, es dem vergnügungswilligen Mann zur Pflicht zu machen, sich auf Syphilis zu untersuchen, bevor er in ein Bordell gehe, und nicht hinterher - der Hure), oder die Wirkung von Campher (das ähnlich berauscht wie Alkohol, wenn man genug davon gibt), und schriftstellerte so nebenbei. Er hieß eigentlich Andreas Ludwig Jeitteles (mit dem hebräischen Verkleinerungssuffix) und stammte als Österreicher aus Olmütz in Mähren. Schon in seiner Studienzeit schrieb er und veröffentlichte „Gedichte, die in verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Taschenbüchern erschienen und in litterarischen Kreisen Aufsehen erregten“ und konnte trotzdem mit der Schriftstellerei kein Auskommen finden. Er ärmelte vor sich hin und wurde dann lieber doch Arzt.
Er konvertierte vom jüdischen zum katholischen Glauben und erlangte dadurch die staatsbürgerlichen Rechte – ein Umstand, der sich im „frei“ gewählten Zunamen ausdrückte. Seine Dichtungen wurden in Buchform erst 1894 und dann 1899 und nochmals 1903, also weit nach seinem Tod, von seinem zweiten Sohn Adelbert, einem Germanisten und Bibliothekar (der älteste Sohn Ludwig, ein Zoologe, beging 1883 Selbstmord) herausgegeben und er blieb dadurch kein Unbekannter. Immerhin Franz Werfel läßt 1926 in seinem Roman „Abituriententag“ seinen Protagonisten Sebastian bei seinen Tanten Gedichte von Julius Frey abschreiben und sie in der Schule als die seinen ausgeben. Alte Tantenliteratur, Lyrik für den Kaffeklatsch? Eigentlich nicht - zwei seiner Gedichte sind heute in Kleriker- oder Juristenkreisen noch auffindbar, knappe einstrophige und hintersinnige Gedichte, eher in der Tradition eines Wilhelm Busch. Man attestierte ihm in der Allgemeinen deutschen Biographie von 1905 die „ätzende Lauge der Satire und kecken, überschäumenden Humor.“
Frey hatte Goethe 1825 besucht und ihn anfangs verehrt, warf ihm später aber öffentlich dessen „unpolitische“ Haltung vor, der Dichterfürst habe die Verbindung zum eigenen Volk verloren. „......... und wo du bitter hättest sollen weinen,/ genügte dir dein eigen Glück.“ Er war mit dieser Kritik nicht allein. „Goethe ist an nichts zu fassen und ein Egoist in ungewöhnlichem Grade“, empörte sich Schiller. Später hat ihn James Joyce charakterisiert als „Großmeister der Platitüde“ – ein Großmeister übrigens, der nur mit Reimlexikon dichten konnte und dann „Griechen“ auf „ besiegen“ reimte.
Frey fehlten die Attitüden des literarischen Blaubluts vollkommen. Er nutze die Dichtung für kritische Zwiesprache, „war kein Stimmungsfanatiker, er gab jederzeit der Idee vor der bloßen Stimmung den Vorzug; er war ein Gedankendichter“ weiß Bernhard Münz (1905).
Justus Frey gab während der Revolution 1848 „Die neue Zeit“ heraus und erlangte durch seine geradlinige Schreibe so viel Sympathien im Volk, daß er, der gemäßigte Linke, im Wahlbezirk Olmütz mit großem Stimmenvorsprung als Fraktionsloser in die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt gewählt wurde.
Frey war Idealist und hielt zwei sehr flammende Reden vor der Nationalversammlung, und bereits Anfang 1849 kehrte er (zu seinem Glück, andere zahlten ihr Bleiben mit ihrem Leben) desillusioniert nach Olmütz zurück. Er hatte erleben müssen, wie neben sich der 80jährige, nationalversammelte Dichter Ernst Moritz Arndt umschwenkte nach rechts, wie haufenweise Ideen geopfert und Ideale verraten wurden, und sackte in sich zusammen, während nach und nach die ersten gesamtdeutschen demokratischen Gehversuche gewaltsam von preußischen und österreichischen Truppen niedergeschlagen und zerteten wurden. Er litt darunter, war fassungslos, wurde krank, konnte und wollte nicht mehr arbeiten. Nicht als Mediziner (war diese Welt zu heilen?) und nicht als Lehrer (Lehren? Was?). Alles war krank. Und alles war unbeherrschbar und wollte doch beherrscht sein. Gerade hatten die Liberalen, die Freien, die Revolution an die Monarchisten verraten aus Angst vor der Anarchie. Alles widersprach sich und nichts was der Mensch hätte mit Vernunft knüpfen können, hielt der Realität stand.
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