Zwedschgä

Gedichte

Autor:
Fitzgerald Kusz
Besprechung:
Armin Steigenberger
 

Gedichte

Die Dialektik des Dialekts

09.04.2013 | Hamburg

Fitzgerald Kusz hat, was den fränkischen Dialekt angeht, ein Alleinstellungsmerkmal. Seine Gedichte finden seit langem als einzige Dialektgedichte Eingang in viele hochrangige deutschsprachige Anthologien – eben weil sie nicht nur einfach(e) Dialektgedichte sind, sondern das gewisse Etwas mehr haben.

Passend zur derzeitigen allerorts formulierten und derzeit hochkritischen Frühlingsfrage lesen wir in Kusz’ jüngstem Gedichtband Zwedschgä:

 

frühling

weä rufd ausm wald?

weä singd?

weä danzd?

weä schbringd?

weä kummd bald?

wou issern?

wou bleibdern?

waaß dä guggugg

weä des waaß!

 

Bei Fragen wieweä kummd bald?/ wou issern?/ wou bleibdern? in diesem Gedicht scheint es, als sei es für genau die jetzige Saison geschrieben, wo es immer noch schneit, Anfang April.

schnäi

im schnäi rumkugln

schnäibolln werfm

enn schnäimoo bauä

mid schnäi eireim

schnäi fressn:

halmi däfriän

in windä schbüän

 

Nie hatte ich so gehässige Terrorwünsche gegen den Wettergott und seine Schneeflocken gehört wie in diesem Winter, in dem man schon seit Ende Oktober im Schnee herumgekugelt ist, schon längst genug Schneebälle geworfen und längst alle zu bauenden Schneemänner gebaut hat; man hat sich auch von Kopf bis Fuß oft genug mit Schnee eingerieben. Und halmi derfruurn* ist man dabei auch schon öfter als genug.

Fitzgerald Kusz’ neuer Band Zwedschgä kommt frisch daher. Die Texte sind unbedingt laut zu lesen, gerade von Lesern, die des (Mittel-) Fränkischen nicht mächtig sind. Dann erschließt sich buchstäblich und wortwörtlich der Sinn. Und selbst eingefleischte Franggn* haben große Freude am Entziffern des Vertrauten. Man spürt, wie sehr Fitzgerald Kusz im Schriftlichen die weichen Konsonanten des Dialektalen auskostet. Zum Lesen eine Freude und zu Hören ein Genuss. Kusz’ Gedichte leben vom Vortrag. Was sich möglicherweise Nichtfranken nicht (sofort) erschließt, würde einem mündlich vorgetragen mit verschmitzt-sonorer Stimme, wie Schuppen von den Augen fallen. Hier eine kleine Kostprobe.

Dennoch bleibt eine brisante Frage zu klären: Was zum Kuckuck sindZwedschgä? – hätte man vor etlichen Jahren mit Alice und Smokie intonieren können. Und alle Pflaumen dieser Welt hätten sich umgedreht und einen angestarrt. „Was soll das denn sein? Zwedschgä?!“ Um es kurz zu machen: Zwedschgä ist urugayisch. Oder, pardon, usbekisch. Ugandisch. Undonesisch, unlesbar, unverständlich. Andere mutmaßen, es handle sich um einen Einheimischendialekt von Ureinwohnern. Und wäre ich nicht mit Sätzen aufgewachsen wie „Etzerdlä bagg ämall deine siem Zwedschgä zamm*“ oder „Dä klaa Zwedschgä*“, ich würde kein Wort verstehen. Man munkelt gar, es handele sich bei Zwedschgä um Früchte. Banales Obst also. Ein Blick auf das Cover von Svetlana Handschuh könnte einen Hinweis geben. Demnach wären Zwedschgä jene säuerlich-süßen Phäakenfrüchte, außen lilablassblau und innen gelbgrün, mit Spitzkern inside, mit dem man sich alsklanner* Zwedschgä die Huusädaschn* vollstopfte, als man bei sonntäglichen siebenstündigen Wanderungen durch die Fränggische* im Abstand von 450 Metern der buckligen Verwandtschaft missmutig hinterdreinstapfte, um nach gefühlten Ewigkeiten endlich in einer Wärdschaffd* einzukehren, wo die ganze Blosn* zweieinhalbstündig enn Koung und enn Kaffeeee* verzehrte, während man sich selbst bei dem Gehogg* zu Tode langweilte.

(…)

wou senn däi zwedschgä

däi zwedschgä woui

in kiehlschrank nei hou

iich möchäd wissen wou däi

zwedschgä hiikummä senn

däi goudn zwedschgä

däi woän su säiß su zuggäsäiß

(…)

 

Dass „Zwetschken“ keine Pflaumen sind, habe ich schon als Kind deutlich eingebimst bekommen. Pflaumen sind große, rundliche und von Anfang an süße, weiche, geradezu dickliche Früchte mit kleinen Kernen, während Zwetschgen längliches, anfangs säuerliches Steinobst ist, mit einer durchschnittlichen Latenzzeit von etwa 33 Tagen; nach Ablauf dieser Tage schmecken sie aber wirklich richdich goud*. Einmal weich geworden sind sie unschlagbar lecker und süß. Und Zwedschgämennlä* sind am Grissdkindlersmarggd in Nämberch* eine örtliche Spezialität, ein hochdubioses Objekt (Readymade?) aus schwarzen steinharten Objekten. im siebdn himml / aff wolke siem / middi siem zwerch / siem zwedschgä essn, lesen wir bei Kusz.

(Alle in diesem Artikel mit * gekennzeichneten Ausdrücke sind keine Kuszschen Dialektumschriften, sondern gehen auf den ebenfalls aus Franken stammenden Rezensenten zurück).

 

zwedschgäschnabs

 

jeedsmall wenni mid

aufgschürfde knäi

hammkummä bin:

„mama, iich hou ä bäis!“

aff di wundn ä boä drobfm

zwedschgäschnabs draff

„ouälou!“

houd des brennd.

 

zurück