Variationen in Prosa

Prosagedichte

Autor:
Michael Donhauser
Besprechung:
Astrid Nischkauer
 

Prosagedichte

Verlottert hing das späte Laub im Walnussbaum, – ein Band voller variierender, funkelnder, lispelnder, raschelnder, wankender und aufblühender Prosagedichte von Michael Donhauser

Die Stimme oder der Stil des Autors bleiben im ganzen Band einheitlich. Es entsteht der Eindruck, dass Michael Donhauser in seinen Gedichten eine eigene Sprache für sich gefunden hat, mit einer eigenen Sprachmelodie und einem ganz eigenen Rhythmus und Fluss. Seine Sprache fließt und mäandert gleichsam, oder scheint gar zu schweben.

Variationen in Prosaist in zwei Abschnitte unterteilt: „Variationen in Prosa“ und „Variationen im März“. Dem ersten Teil ist ein Zitat von Leonardo da Vinci vorangestellt, dem zweiten zwei von Xenophanes. Im zweiten und wesentlich kürzeren Teil des Gedichtbandes, „Variationen im März“ könnte man leicht über einzelne Wort stolpern. Über „Gewitter“ zum Beispiel. Ebenso über „Pilaster“, „Haar“ oder „Duft“.  Klingt das nicht nach...? – aber nein... Oder doch? All diese Worte könnten Erinnerungen an Baudelaires „Fleurs du Mal“ wachrufen. Ein Blick auf das Autorenporträt scheint den Verdacht zu erhärten: „Michael Donhauser, 1956 geboren in Vaduz, studierte Germanistik und Romanistik in Wien und schloss das Studium mit einer vergleichenden Analyse der deutschen Übertragungen der „Fleurs du Mal“ von Charles Baudelaire ab.“ Geht man nun davon aus, dass der zweite Teil des Gedichtbandes in Bezug zu Baudelaire stehen könnte, so ergibt sich eine ganz neue Lektüremöglichkeit der Gedichte. Denn dann scheinen viele der Gedichte den verhallenden Echos der „Fleurs du Mal“ über die Zeiten hinweg zu antworten. Nicht jedes Gedicht legt diese Verbindung jedoch gleichermaßen nahe. Einige Gedichte jedoch scheinen einen eigenen Raum zu erzeugen, in dem die Echos der „Fleurs du Mal“ nachhallen können. Das folgende Gedicht von Michael Donhauser könnte man in Beziehung zu den „correspondances“ von Baudelaire setzen:


Unscheinbar in einem abgelegenen Tal stand

wenig über dem Bachlauf, der den Wiesengrund

teilte, als eine Ruine, was uns, da wir den Rasen

zwischen den Mauern betraten, überragte mit

Bögen und umgab als Pilaster, dass wir nahe den

Nischen, die sich höhlten zu Muscheln, zögerten

weiterzugehen oder blieben dann im Halbrund

einer Apsis, wo geneigt stand ein Pfeiler und

anmutig sich verzweigte etwas Geäst, während

verborgen im Schatten eine Zisterne lag, deren

Wasser bedeckt von hellgrünen Linsen erinnerte

an das Festliche eines Anbeginns.

 

Stellt man manche der Gedichte einem bestimmten Gedicht von Baudelaire gegenüber, so ergeben sich einige überraschende Übereinstimmungen. Selbst wenn es sich dabei um eine Überinterpretation meinerseits handeln sollte, so wäre es dennoch zu spannend um unerwähnt zu bleiben. In dem Sonett „L‘Ennemi“ von Baudelaire wird u.a. ein nach einem Gewitter verwüsteter Garten beschrieben, der Boden ist ausgeschwemmt und von tiefen Furchen durchzogen. Es wird der Zweifel ausgedrückt, ob die neuen erträumten Blumen jemals wachsen werden. Herbststimmung und Angst vor dem Lebensende werden vermittelt. Bei Michael Donhauser gibt es nun ein Gedicht, welches man als Gegenbild zu „L’Ennemi“ lesen könnte. Auch hier wird ein Garten beschrieben, doch die Furchen sind gepflügt, ein Pfirsichbäumchen steht in Blüte. Es ist also Frühjahr. Der Garten ist geordnet, die geschnittenen Zweige liegen zusammengebündelt.


Erblühend war, was säumte nun die Wege oder

sich zeigte als Pfirsichbäumchen in einem Gar-

ten, dessen Erde ein paar Furchen breit gepflügt

war, dass schwarz die Schollen glänzten unter

der nachmittäglichen Sonne, wo verteilt und ge-

schnürt auch zu Bündeln Zweige lagen nach dem

Schnitt, [...]

Ein anderes Beispiel wäre das Sonett „Le Mouvais Moine“ von Baudelaire. Darin werden die kahlen Seelenwände beschrieben, welche vom trägen Mönch bisher noch nicht mit Bildern versehen wurden. Bei Michael Donhauser findet sich nun gewissermaßen die Gegenerzählung dazu. Ein Gedicht berichtet von einem Fresko, das während dem Bau der Kirche plötzlich da gewesen sei:


Und eines Morgens hätte sich, wie die Kirche

noch im Bau war, an einer Mauer jenes Bild-

nis befunden, das in einem Schrein nun, als ein

Stück Fresko die Mutter zeigte mit ihrem göttli-

chen Kind, [...]


Noch eine kurze Bemerkung über die elegante Covergestaltung. Sie hat etwas Französisches an sich – cremeweiß mit schlanker roter Schrift und entspricht den feinen Gedichten von Michael Donhauser meines Erachtens sehr gut.

 

[...] und die Pfützen gaben wie-

der an den Rändern silbern funkelnd all das

Streulicht von den Lampen auf dem Schotter

und den Wegen, die ins Dunkel leise führten.

 


Exklusivbeitrag

Michael Donhauser: Variationen in Prosa. Variationen im März. ISBN 978-3-88221-937-1. 16,90 € Mathes & Seitz Berlin, 2013.

Astrid Nischkauer hat zuletzt über »Kindheit« von Peggy Parnass auf Fixpoetry geschrieben

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