Angepirscht die Grillen

Gedichte

Autor:
Irène Bourquin
Besprechung:
Frank Milautzcki
 

Gedichte

Der Mensch ein Webfehler - Über die Naturgedichte von Irène Bourquin

In der beachtenswerten Reihe lektur des Waldgut Verlags aus Frauenfeld in der Schweiz erschien mit „Angepirscht die Grillen“ von Irène Bourquin ein Band Gedichte, der den Menschen sehr knapp hält. Er ist enthalten als Mittler, Weiser in die Sprache hinein, Übersetzer von Naturmomenten, aber nicht als Person oder Ausdruck von Befindlichkeit. Loerke hat das mal gesagt, dass es ihm mehr um den „Gesang der Dinge“ gehe, als um ihn selbst. Seine Perspektive der Erdnähe findet man auch bei Bourquins Gedichten wieder. Die Natur ist hier nicht der Hintergrund, vor dem der Mensch seine expressionistischen Tänze aufführt und mögliche Ichs ausformuliert, sondern selbst Schauspiel. Das hat Ruhe und ist doch „lebendiges Leben / ein Spiel / von Kraft und Gesetz“. Eben unverfälschtes, rohes, elementares Dasein - ein Berg, der sein eigenes Fühlen in einer blühenden Wiese ausläuft, „schwirrblaue“ Luft, „Kupferlicht / in kahlen Buchen“ - es ist oft das Licht, die Luft, der Himmel und im Gegensatz dazu die Schwere der Präsenz von Wald, Fels, Schnee, Stein, See und dorthinein findet der Mensch mit Jets, die schneidend durch die Luft gehen, mit röhrenden Motorsägen oder mit Weggeworfenem, das im Herbstlaub überbleibt. Störfaktor, der ins Bild springt, unangenehm und gar nicht leise. „Als Webfehler dröhnt / ein Traktor“.

Damit sind diese Gedichte welthaltige Aufnahmen und keine bloße Naturlyrik, genau beobachtete Gespräche Mensch zu Natur, Natur zum Menschen. Die Einfachheit und Stille, die es braucht, um in diesen Dialog einzutreten, finden sich wieder in Form und Struktur von Bourquins Lyrik. Kurze Verse, oft nur zweizeilige Strophen, keine langen Gedichte - auch hier ist der Mensch knapp, übernimmt die Wirkkraft der Sprache das Spiel. Die vielen bildhaften Worte wirken nie gesucht, klingen aus und nach, sind selber Resonanz aus intensiver Zwiesprache. Bourquins Widmung an die Landschaften und die Jahreszeiten und das Natürliche darin ist kein Rückzug in eine Gegenwelt, sondern ein Öffnen in die Stille und Wahrhaftigkeit, ein bewusstes Aufschließen, ein Raum Schaffen für neuen Verkehr mit der alten Welt, ausgehend von ihrem poetischen Gehalt.

Zwischen
dunkelgrünen Maismauern
sitzt der Sommer
auf seiner letzten Bank

spurtende Buben
tragen ihn fort
Kolben für Kolben


Beobachtungen aus einer gereiften Gelassenheit heraus. Impressionen. Da werden aus den beiden Bögen einer typischen alten römischen Steinbrücke im Tessin „Steinbrauen“ und die in den Lago Maggiore getupften Brissago-Inseln zu „Baumarchen“ - Beispiele für die kleinen wundervollen Momente in den Gedichten von Irène Bourquin, die eingebettet sind in dichte, immer stimmige Kompositionen. Pastell und genauer Strich. Graphit und weiche Farbe. Gemalt und gezeichnet und immer gekonnt. Diese Art von Poesie steht mit beiden Füßen auf der Erde, aber sie macht, dass dieselbe Erde voller Zauber sein kann. Das Land erwartet den Regen mit offenen Poren. --- Ich habe das Lesen des Buches wirklich genossen.