Aus Lokalberichte Hamburg
Warum und wie wurde die Demo von der Polizeieinsatzleitung verhindert?
Offensichtlich gab es die politische Vorgabe, die Demonstration direkt im Schanzenviertel aufzuhalten, um sie dort zu zerschlagen. Nach wenigen Metern ging eine Kette Polizeibeamter auf die Demospitze zu und hat sofort in die ersten Reihen getreten und geprügelt. Nach einigen Böllerwürfen wurde ein Wasserwerfereinsatz eingesetzt und die Demonstration nach einer einkalkulierten Eskalation aufgelöst. Die darauffolgenden Auseinandersetzungen zogen sich dann allerdings über mehrere Stunden. Auch in anderen Stadtteilen und der Innenstadt gab es Proteste.
Die Strategie der Polizei ist aber nicht als Einzelfall zu betrachten. So wurde z.B. auch bei Blockupy in Frankfurt eine autonome Bündnis-Mobilisierung bewusst angegriffen und gestoppt. Dahinter steckt das politische Kalkül, Protestbewegungen durch repressive Maßnahmen zu schwächen und Ohnmacht zu erzeugen. Ohnmacht lässt sich aber nur dort erzeugen, wo nicht mehr gehandelt wird und politische Bewegungen sich auch einschüchtern lassen.
Ist die Polizei gegen den bunten Block des »Recht auf Stadt«-Bündnisses genauso brachial vorgegangen wie gegen die Demospitze
Auf dem Schulterblatt wurden alle Teilnehmer_innen der Demonstration angegriffen. Wasserwerfer machen schon als Einsatzmittel wenig Unterschiede. Aber auch die eingesetzten Beamt_innen bahnten sich ihren Weg kompromisslos mit Schlagstöcken, Tritten und Pfefferspray durch die Menge, um diese zu zerstreuen. Der bunte Block hatte währenddessen mehrfach versucht, doch noch eine Demonstration anzumelden. Dies wurde auf höchster Polizeiebene abgelehnt.
Wie kam es zu der großen Zahl von Verletzten?
Die Polizei stürmte immer wieder mitten in die Menge. Die Folge waren Verletzungen durch Schlagstockeinwirkung und Pfefferspray, auch die Wasserwerfereinsätze führten zu Verletzungen und Knochenbrüchen. Es kam aber auch zu verletzten Demonstrant_innen durch Bewurf von anderen Teilnehmer_innen, was wir kritisieren müssen. Wir sind derzeit noch dabei, die Folgen des Polizeieinsatzes auszuwerten. Insgesamt erinnert es allerdings sehr an die eskalative Strategie zur internationalen G8-Demonstration 2007 in Rostock.
Was haben die Festgenommenen zu erwarten?
Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen des 21.12. mehrere Ermittlungsverfahren von der Polizei eingeleitet worden sind bzw. nach Auswertung ihres Videomateriales noch weitere hinzukommen werden. Wie viele davon am Ende tatsächlich zu Prozessen führen werden, können wir heute noch nicht absehen.
In den letzten Wochen ist es im medialen Diskurs zu einer regelrechten Sicherheitshysterie gekommen. Es wurde öffentlich über den Einsatz von Schusswaffen diskutiert und es sind Ermittlungen wegen versuchtem Totschlag eingeleitet worden. Ausserdem wurde ein Gefahrengebiet eingerichtet, in dem die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen, Platzverweise und Aufenthaltsverbote aussprechen kann. Die räumliche Größe dieses Gebiets sprengt alles bisher Dagewesene und betrifft ca. 100 000 Anwohner_innen (wurde mittlerweile aufgehoben). Wir rechnen in den nächsten Wochen und Monaten mit weiteren staatlichen Reppressionsschlägen, um die Bewegung zu kriminalisieren.
Der zweite Angriff auf das Polizeirevier Davidwache scheint z.B. nach Informationen von Anwält_innen eine Inszenierung der Polizei. Dies erklärt auch die vielen Widersprüche. Hier setzt sich eine polizeiliche Strategie gegen die Demonstration am 21. Dezember fort, die ihren Ursprung in der unnachgiebigen Linie des Hamburger Senates hat. Es wird voll und ganz auf law and order gesetzt.
War die Demo, der Aktionstag trotzdem ein Erfolg?
Die Mobilisierung fanden wir erfolgreich, auch das entschlossene Verhalten der Teilnehmer_innen, sich nicht einfach auflösen zu lassen. Der Platz wäre vermutlich innerhalb von 5 Minuten geräumt worden, hätten nicht so viele unterschiedliche Menschen Ketten gebildet und Beharrlichkeit gezeigt.
Eine Demonstration, die nur 30 Meter weit kommt und dann zerschlagen wird, kann natürlich nicht als Erfolg bewertet werden. Ein politisches Ziel war auch, loszukommen und gemeinsam zu laufen als positiver Impuls für die kommenden stadtpolitischen Kämpfe. Dies ist nicht erreicht worden.
Die anschließenden Krawalle in der ganzen Stadt haben allerdings auch dafür gesorgt, dass die Polizei den Einsatz nicht als Erfolg für sich verbuchen kann. Es ist politisch so etwas wie eine Pattsituation entstanden. Wir haben dabei allerdings letztlich mehr verloren, da es mehr zu gewinnen gab und es eine sehr große und ausdrucksstarke Demo geworden wäre.
Was allerdings trotzdem gelungen ist und auch als ein Erfolg zu werten ist: Der Senat wurde aus dem Schneckenhaus geholt, seine Linie sich rauszuhalten und teilnahmslos zu geben, in Frage gestellt.
Die sich anschließende Frage ist, ob die gesellschaftliche Diskussion nun vom Senat auf Fragen der inneren Sicherheit reduziert werden kann oder ob die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf der Tagesordnung stehen.
Interview vom 5. Januar von Gaston Kirsche mit Florentin von der Kampagne Flora bleibt unverträglich. Die Antworten sind alle von Florentin, die Fragen von Gaston Kirsche.
Platica con Florentin*, de la campaña en defensa de Rote Flora Flora bleibt unverträglich
http://desinformemonos.org/2014/01/en-hamburgo-el-estado-de-excepcion-no-mermara-la-protesta
Die Lokalberichte gibt es im Buchladen Schanzenviertel, Infoladen Schwarzmarkt und dem Infoladen Wilhelmsburg