Geheimer Krieg

Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird.

Anhand von konkreten Fällen wird aufgezeigt, wie deutsche Dienste und US-Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland am “Krieg gegen den Terror” beteiligt sind. Es herrscht bereits Krieg – Ein geheimer Krieg.

An der Nordsee, mitten im Wasser, liegt ein Kabel durch das Daten laufen. Telefongespräche, E-Mails und Chats. Alles läuft Richtung Norden, in die USA. Mit einem praktischen Zwischenstopp in England beim britischen Abhörgeheimdienst in der Stadt Bude. Hier lauern hinter Schafweiden die Überwachungsanlagen. Es heißt, sie machen die ganze Spitzelei für die deutsche Sicherheit. Ein deutscher Journalist fragt telefonisch bei der angegebenen Nummer des Datenschutzbeauftragten in Bode nach, ob hier tatsächlich Daten aus Deutschland verarbeitet werden. Leider wird keine der Fragen am anderen Ende der Leitung beantwortet – auch nicht die Frage, ob er mit dem Abhörgeheimdienst GCHQ oder tatsächlich mit dem Datenschutzbeauftragten spricht. Der Reporter würde gerne vertrauen – doch das ist mittlerweile nicht mehr möglich. Denn es herrscht ein geheimer Krieg – da ist Vertrauen gut, doch Kontrolle ist besser.

Der geheime Krieg spielt auch in Deutschland – und Deutschland spielt mit. Alles beginnt mit einem Anruf von einem Mann aus Somalia. Er berichtet von einem Drohnenangriff. Das Ziel war ein Terrorverdächtiger. Doch wie so häufig in diesem Krieg starben auch Zivilisten, wie auch der Vater des Anrufers. Ein einfacher Kamelbauer, zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Mann berichtet vom grausam zugerichteten Leichnam seines Vaters – dann bricht die Telefonverbindung ab. Die Telefonleitung zu Somalia ist katastrophal instabil, den Mann in Somalia für ein persönliches Gespräch treffen ist auch nicht möglich. Ein Besuch von westlichen Journalisten würde ihn sowie die Journalisten in große Gefahr bringen.

Der Geheime Krieg – Ein Mann aus Somalia berichtet

Nach einer kurzen Recherche finden die Journalisten weitere Familienmitglieder unschuldiger Drohnenopfer. Sie alle haben jemanden verloren: Kinder, Mütter oder Väter. Sie alle starben im Namen der deutschen Sicherheit.

Istanbul, ein Abend im November. Vier Somalier, die Angehörige bei einem Drohnenangriff verloren haben, haben einen Pass und ein Visum beantragt. Sie sind 37 Tage gereist und am Ende sind sie zum ersten Mal in ein Flugzeug gestiegen. Sie wollen dass die Welt erfährt, was ihnen in ihrer Heimat Somalia passiert ist. Ein somalischer Journalist ist mitgereist. Er hat geholfen, das Treffen zu organisieren. Die Männer möchten unerkannt bleiben, da sie sonst Gefahr laufen hingerichtet zu werden, wenn sie zu Hause für Spione des Westens gehalten werden. Der Mann aus Somalia, der die deutschen Journalisten nach dem Drohnenangriff angerufen hat, erzählt vom friedlichen Leben seines Vater. Er war kein Terrorist, nur ein einfacher Mann.

Er berichtet, dass sie in Somalia die Drohnen immer hören, aber nie sehen können. Nicht jedes Mal, wenn die Drohnen zu hören sind, stirbt jemand. Doch eines ist sicher: Jedes Mal, wenn eine Drohne startet, hat jemand aus Deutschland den Befehl dafür gegeben. Anhand von Absturzberichten des US Militärs kann der Ablauf einzelner Angriffe sehr genau rekonstruiert werden. Der Angriff, bei dem der Vater des Kamelhirten getötet wurde, war am 24.02.2012 und galt einem britischen Terrorverdächtigen. Befohlen wurde der Angriff von Stuttgart aus, koordiniert und überwacht in Ramstein im Air and Space Operations Center, dem Kriegsraum des US Militärkommandos für Afrika.

Das Personal für gezielte Hinrichtungen wird Mitten in Deutschland rekrutiert. In einem Stuttgarter Hotel soll eine Messe stattfinden. Dabei werden Männer und Frauen gesucht, die töten können. Dabei ist auch die Firma CACI vertreten. Eine andere Firma sucht gerade einen All Source Analyst – jemanden, der Hinrichtungen in Afrika organisiert. Sozusagen ein Schreibtischjob. Konkret heißt das “Individuen für die Zielerfassung zu nominieren”. Natürlich ist alles hochgeheim. Diese Firmen sind Vertragsdienstleister für das US Militär. Sie machen alles von Operationen bis hin zu nachrichtendienstlichen Aufklärung.

Gefährliche Drohnen

Grafenwöhr ist das weltweit größte Ausbildungszentrum für Drohnenpiloten außerhalb der USA. Damit sich die Anwohner nicht zu viele Sorgen machen, laden die amerikanischen Truppen zu einem “Tag der offenen Drohne” auf die Airbase. Die Botschaft: Alles halb so wild hier. Man spricht nicht gerne von “Drohnen” – man nennt sie lieber “unbemannte Luftfahrzeuge”.

Eine junge Frau namens Danielle Balderston hat eine Hinrichtung per Drohne koordiniert. 5 Mal hat sie Menschen mit Hilfe von Hellfire Raketen umgebracht. Sie lebt in der Nähe von Stuttgart. Nach dem Ende ihres Militärdienstes begann sie eine neue Karriere als Gothic-Model. Das Thema Tod bleibt für sie wichtig. Sie ist die erste Frau, die über die Arbeit mit Drohnen spricht. Sie erzählt, dass sie 6 ½ Jahre in der militärischen Aufklärung gearbeitet hat. Danach ist sie nach Las Vegas gezogen und hat mit Drohnen gearbeitet. Hellfire Raketen sind kleinere Bomben, mit einem Gewicht von ca. 120 Pfund. Diese packt man unter die Drohnen. Jemand, der erfolgreich 5 Raketen abgefeuert hat, nennt man “Ass”. Danielle Balderston ist selbst ein Ass und sieht es als ganz normalen Job: Man kommt nach Hause und vergisst die Arbeit. Sie sagt, manchmal passiert eben etwas verrücktes in Afrika und Menschen sterben. Doch sie sterben für die Sicherheit – für die deutsche sowie die amerikanische Sicherheit. Menschen wollen nicht selbst in den Krieg. Darum folgen sie lediglich den Befehlen des Präsidenten. Zwar sind es Amerikaner, die Menschen töten: Doch Folter und Kampfdrohnen-Einsätze werden auch aus Deutschland organisiert.

Sie möchten mehr über dieses Thema wissen? Dann lesen Sie auch das Buch “Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird” von Christian Fuchs und John Goetz. Die beiden Journalisten haben schon lange ein Auge auf die deutsch-amerikanische Sicherheitspartnerschaft und präsentieren die Ergebnisse ihrer Recherchen zu diesem Thema eindrucksvoll in ihrem Buch.