Goethe im Profil

Fliegende Goethe-Blätter

Goethe in der modernen Welt

Die Wahlverwandtschaften

Rezension auf Bonaventura:

978-3-15-007835-8Wahrscheinlich der Text Goethes, den ich inzwischen neben dem ersten Teil des Faust am häufigsten gelesen habe, diesmal aus didaktischen Gründen. Das Buch vorstellen, geschweige denn rezensieren zu wollen, stellt angesichts der mehr als hundertjährigen Vernachlässigung und seiner anschließend erfolgten Ausschlachtung durch die Germanistik natürlich eine Verwegenheit dar. Ich habe daher einige Zeit überlegt, meine weiderholte Lektüre hier einfach stillschweigend zu übergehen und mich Unbesprochenerem zuzuwenden. Andererseits ist ja gerade hier der Ort, Lektüre von und Auseinandersetzung mit klassischen Texten zu dokumentieren. »»» Weiterlesen auf Bonaventura.

johann-wolfgang-goethe.de

Da macht sich die dialogbetrieb GmbH & Co. KG aus Nürnberg immerhin die Mühe und reserviert sich die domain johann-wolfgang-goethe.de. Wahrscheinlich denkt man dort, nach Goethen suchen im Netz viele, und wenn man denen ein entsprechendes Angebot präsentiert, dann schauen die vielleicht auch mal auf unserer kommerziellen Heimseite vorbei. Stimmt, klappt, habe ich gemacht. Aber nun nicht gerade, weil mich johann-wolfgang-goethe.de so überzeugt hätte, sondern weil ich nachschauen wollte, wer nun wieder für diesen Unfug verantwortlich ist.

Gleich auf der Eingangsseite springt einen die Ahnungslosigkeit desjenigen, der für die Inhalte verantwortlich ist, unvermittelt an:

Goethes Leben ist geprägt von einem unstillbaren Hunger nach Wissen und leidenschaftlichen Verliebtheiten. Die unerfüllte Liebe zu der Verlobten eines Freundes inspiriert ihn dazu, “Die Leiden des jungen Werther” zu verfassen […].

Wie mag sich „unstillbarer Hunger nach […] leidenschaftlichen Verliebtheiten“ wohl ausnehmen? Und Goethe war also mit Johann Christian Kestner also bereits befreundet, als er Charlotte Buff kennenlernte? Da hätte eine Lektüre des davon inspirierten Buches aber auch nicht geschadet.

Unter der Rubrik Weimarer Klassik finden wir die hoch interessante These, Goethe habe Schiller 1794 kennengelernt. Und:

Beide verbindet die Distanz zur Französischen Revolution, beide arbeiten an der politisch neutralen Zeitschrift “Die Horen”.

Das erste Mal, dass eine Distanz verbindet! Und dass beide an den „Horen“ arbeiten, mag nur mit sehr gutem Willen als eine Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse durchgehen. Zwar mag der Verfasser läuten gehört haben, dass im Programm der „Horen“ etwas stand, das sich als Vorgabe der politischen Neutralität lesen lässt, aber einen Blick auch nur in das erste Heft der Zeitschrift hat er offensichtlich nicht geworfen; oder, falls er doch einen hinein geworfen hat, so hat er nicht verstanden, was er dort gesehen hat.

Da wundert es denn auch nicht, wenn man „Hermann und Dorothea“ unter den Dramen aufgelistet findet. Sehr hübsch ist auch die Auflistung der „Vermischten Gedichte“ Goethes. Womit mag er die wohl vermischt haben? Und immerhin soll Goethe auch fünf Abhandlungen geschrieben haben, und da ist die über den Zwischenkieferknochen noch nicht einmal mitgezählt. Und soll da nicht noch was mit einer „Farbenlehre“ gewesen sein? Na, nichts genaues weiß man nicht.

Jede Seite des unsäglichen Produkts dokumentiert die tiefe Ahnungslosigkeit, aus der heraus hier publiziert wird. Was mich daran überrascht, ist, dass sich jemand doch immerhin einige Mühe hat machen müssen, um diesen groben Unfug ins Netz zu stellen. Was mag ihn dazu bewogen haben? Ein besonders inniges Interesse an Goethe oder seinen Werken kann es jedenfalls nicht gewesen sein.

Und nun in unsern Tagen die Leichtigkeit, jeden Irrthum […] sogleich allgemein predigen zu können! Mag ein solcher Kunstrichter nach einigen Jahren auch besser denken, und mag er auch seine bessere Überzeugung öffentlich verbreiten, seine Irrlehre hat doch unterdeß gewirkt und wird auch künftig gleich einem Schlingkraut neben dem Guten immer fortwirken. Mein Trost ist nur, daß ein wirklich großes Talent nicht irrezuleiten und nicht zu verderben ist. (zu Eckermann, 13. Februar 1831)

Duell der Magier

In den deutschen Kinos läuft derzeit als Nachklapp der Harry-Potter-Hysterie ein Disney-Film, der auf Deutsch klugerweise Duell der Magier, im Original aber zugkräftig  The Sorcerer’s Apprentice heißt. Der englische Titel erinnert das US-amerikanische Publikum natürlich werbewirksam an Disneys Kurzfilm gleichen Titels, der Perle aus Disneys Fantasia, die Paul Dukas’ Musikstück mit Bildern illustriert, die sich sehr nah an der Fabel von Goethes Ballade Der Zauberlehrling orientieren.

Leider verführt der englische Titel im deutschen Sprachraum viele zu der Behauptung, die Handlung des Films basiere wenigstens in Teilen auf Goethes Gedicht. Tatsächlich hat der Film mit Goethes Gedicht denkbar wenig zu tun, sondern bezieht Figuren und Motivationen aus dem Sagenkreis um König Artus. Und selbst wenn man „Teile der Handlung“ auf Goethes Gedicht zurückführen möchte – wie das etwa auch die ehrwürdige Wikipedia tut –, so wäre es doch wohl nur angemessen, sich an den Hof-Lieferanten des Stoffes zu erinnern, denn der stammt bekanntlich aus Lukians Lügenfreund und Goethe hat ihn in der Wielandschen Übersetzung der Werke Lukians gefunden und zur Ballade verarbeitet. Wiederlesen macht Freude!

Mehr als 300 Jahre alt

Da lernen zwei Mädchen aus Trossingen das Recherchieren und die Schwäbische Zeitung berichtet darüber:

Antje Hermann (11 Jahre) und Ann-Sophie Hohner (10) überlegten gerade, welches der beiden Gedicht von Johann-Wolfgang von Goethe, die schon mehr als 300 Jahre alt sind, sie abschreiben sollen.

Erstaunlich, dass Johann Wolfgang von Goethe (ohne Bindestrich!) bereits mehr als 39 Jahre vor seiner Geburt Gedichte verfasst hat. Da hätte der Berichterstatter vielleicht doch noch einmal die Anwendung der Grundrechenarten recherchieren sollen.

125 Goethe-Gesellschaft

Gestern fand ich bei Focus Online Kultur eine hirnlos umkopierte dpa-Meldung:

Wer sich nur eine Spur mit dem Thema Weimar und Goethe beschäftigt hat, weiß natürlich, dass sich bereits zu Goethes Lebzeiten, also schon lange vor 1832 zahlreiche Goethe-Verehrer und -Touristen in Weimar eingefunden hatten. Dass es sich bei Goethe um eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt gehandelt hat, kann man leicht den zahlreichen Dokumenten in den Quellensammlungen von Wilhelm Bode und Flodoard Freiherr von Biedermann entnehmen.

Eigentlich wollte ich es unkommentiert vorüberziehen lassen, aber wie das bei Unfug so ist: Er zieht zuverlässig Kreise:

So sei dem Quatsch wenigstens hier einmal widersprochen.

Ein neu philosophie fuer alles

Goethe regt die Kreativität an: Bei glogster.com kann man großflächige Collagen erstellen, so zum Beispiel auch diese:

Ich verweise besonders auf das zusammenfassende Urteil rechts unten!

Deko ohne Inhalt

Auf eBay Österreich wurde angeboten:

Bislang wollte niemand die Flasche erwerben; sie steht derzeit also noch immer zum Verkauf, allerdings unter der harten Bedingung, dass der Verkäufer keine Rücknahme gestatten will.

Gespräche mit Goethe als Echtzeit-Blog

Nachdem Giesbert Damaschkes Blog mit dem Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller nun fast ein Jahr lang läuft, stellt ihm der Münchner Germanist ein weiteres Echtzeit-Blog an die Seite: Ab dem 10. Juni 2010 erscheinen in gleicher Manier die „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ von Johann Peter Eckermann:

http://www.gespraeche-mit-goethe.de/

Ich habe auch dieses Blog in der Seitenleiste verlinkt.

Lose Seiten, alt wie die Dampflok

In den Stuttgarter Nachrichten dokumentiert Cedric Rehman seine kulturelle Ahnungslosigkeit:

Anscheinend ist es inzwischen vergessen worden, dass bereits 1985 einmal ein Feuilletonist geschasst wurde, weil er Goethe und die Eisenbahn in einen Gedankenzug gepackt hatte. 1835 jedenfalls haben weder Schiller noch Goethe noch irgendwelche „Meisterwerke“ geschrieben.

Interessant ist auch, dass der junge Autor meint, wenn Bücher erst noch zum Buchbinder getragen wurden, müsse es sich dabei offenbar um lose Seiten gehandelt haben. Na ja, vielleicht nimmt ihn einer der älteren Kollegen der Redaktion mal beiseite und erklärt ihm, wie die kleinen Bücher vor den Zeiten Emil Lumbecks gemacht wurden.

Geister im „Faust“

In der Frankenpost macht sich Leserbriefschreiber Dr. Wolfgang Tuchlinski aus Waldershof Sorgen um die nukleare Abrüstung und resümiert:

[…] denn: ,Die Geister, die ich rief, die werd‘ ich nicht mehr los‘ – wie Goethe im ,Faust‘ schon schrieb.

Selbst, wenn man nicht weiß, wo Goethe das geschrieben haben soll, könnte die ungelenke Grammatik des Zitats den Verdacht in einem aufkommen lassen, dass hier etwas nicht stimmen kann. So holprig hat Goethe gemeinhin nicht gedichtet, und Knüttelverse sind das auch nicht.

Zum Glück hat Goethe natürlich geschrieben:

Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.

Und bekanntlich steht es in der Ballade „Der Zauberlehrling“. Aber sonst stimmt’s.

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