Als Anna Seghers im Sommer 1934 ihr
Exilland Frankreich verläßt und nach Österreich fährt, um dort als Beobachterin, an
den Prozessen gegen die Februaraufständigen teilzunehmen, entwickelt sie aus dem dort
Gesehenen ihren einzigen wirklichen historischen Roman. Seghers bemüht sich darin sehr, die
historischen Vorgänge möglichst exakt nachzuzeichnen, wodurch der Roman auch einen
reportageartigen Charakter besitzt. Die Figuren, die bis auf zwei Ausnahmen (Dr.
Karlinger/Dr. Bildt) alle aus dem Arbeitermilieu stammen, sind dagegen frei erfunden,
doch ist annehmbar, daß sie sich an den ihr in Österreich begegneten Charakteren
orientiert. Wichtig scheint hierbei noch, daß die Figuren - wie es häufig auch bei
Erzählungen der Autorin vorkommt - sich nicht durch besondere Denk- und
Reflexionsleistungen über die (eigenen) Handlungen auszeichnen, sondern durch
gefühlsbestimmtes Handeln.
Ein zentrales Thema des Romans ist die Zersplitterung. Eine tatsächlich vorhandene Zersplitterung, die oft als Grund für das Scheitern des Aufstandes angeführt wird, findet sich auch in der Komposition des Werkes. So lassen sich scheinbar unzählige, parallel verlaufende Handlungsstränge ausmachen, die z.T. räumlich und zeitlich voneinander getrennt sind. Die im Roman sichtbaren Handlungsorte entsprechen, im Gegensatz zur freien Figurenwahl, den wirklichen historischen Handlungszentren: Linz (Hauptfigur der Handlung: Aigner), Steyer (Johst), Graz ( Mittelexer/ Willaschek, der zunehmend ins Zentrum der Handlung gerückt wird), das Gebirge (Bruck) und Wien. Zentraler Ort der Handlung ist der Karl-Marx-Hof in Wien; in diesem spielen 10 von den 45 Unterkapiteln des Romans. Die Hauptfiguren sind Riedl und der Arbeiterjunge Fritz. Eine weitere in Wien spielende Geschichte ist die von Kroytner und Matthias; durch den Verlauf des Geschehens lösen sich diese beiden Beziehungspaare voneinander. Ein letzter Konflikt findet sich zwischen Dr. Karlinger und Dr. Bildt, allerdings wird deren Geschichte nicht so detailliert beschrieben, wie z.B. jene von Fritz oder Willaschek. Der Grund für Fritz´ innere Zerrissenheit ist die Enttäuschung in der Auseinandersetzung mit Riedl und dem Aufstand. Er verliert den Glauben in Riedl, da dieser immer die Argumente der Führung aufgreift und verteidigt, selbst als schließlich der objektive Verrat seitens der Führung an den Aufständigen deutlich wird. Da der Aufstand schließlich scheitert, verfallen viele, u.a. auch Fritz, in eine Orientierungslosigkeit und wissen nicht, wem sie sich anschließen sollen - den Kommunisten oder den Sozialdemokraten. Auch bei der Figur Willascheks wird durch seine mehrmaligen Wechsel zwischen den Parteien Zerrissenheit deutlich. Er schließt sich jeweils der Organisation an, die ihm für den Moment am meisten Hoffnung verspricht.
Charakteristisch für die
kompositorische Zersplitterung ist, daß sich mit jeder Einführung einer neuen Hauptfigur
das unübersichtliche Beziehungsgeflecht weiter verzweigt. Ein Beispiel dafür wäre der
Kunsthandwerker Aloys Fischer mit seiner Familie, der eng verbunden ist mit der Geschichte
um seinen Hilfsarbeiter Nuß und dessen Familie. Ausführlich beschrieben ist dieser Teil
für den Fortlauf der Handlung ohne Belang.
Obwohl jede Figur ein Einzelschicksal
darstellt, eint sie doch alle ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu und der Glaube an die
Revolution.
Um dem Geschehen zu folgen und die
Personen voneinander abzugrenzen, ist ein hohes Maß an Konzentration erforderlich. Daher
ist es ratsam, den Roman auch ein zweites Mal zu lesen, damit sich alle Zusammenhänge
erschließen.
Quellen:
Seghers, Anna, Der Weg durch den Februar, Berlin 1951.
Diersen, Inge, Seghers Studien. Interpretationen von Werken aus den Jahren 1926-.
Ein Beitrag zu Entwicklungsproblemen der modernen Epik, Berlin 1965.
Bild:
Wagner (Hrsg.) u.a.: Anna Seghers. Eine Biographie in Bildern, Berlin 1995.
Erarbeitet von: Sebastian Ozdoba und
Viola Sperlich
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zuletzt geändert am 31.05.01