Die Hauptfrage der letzten Abschnitte ist sicher, wem der letzte Satz zuzuordnen ist: „Ich gehe nicht.“ Im ersten Moment denke ich ganz klar Steve, dafür würde auch einiges sprechen, wie etwa der Satz, der ihm vorangeht: „Der Augenblick, der ein ganzes Leben hält.“ Wenn also Steve jetzt diesen Satz ausspräche, wäre dies eine Entscheidung, der die Richtung seines ganzen kommenden Lebens bestimmen/verändern würde. Spräche er ihn nicht aus, wäre dieser Augenblick nichts besonderes. Für ein Bleiben sprechen aber auch die letzten, von allen Reeds hautnah miterlebten Ereignisse, die durch den ehemalige Hühnerstall eine subtile Verbindung erfahren. Zunächst der Überfall auf Wethu, auf den vor allem Sindi mit einer vehementen (und dem eigenen Kind nicht zugetrauten) Solidarität reagiert. Und vor allem die eindrücklich geschilderte Episode von der Rettung Alberts aus dem Slum:
Von Lesego wird Steve in einen Slum von Johannesburg gebracht, er sieht bedrückende Szenen der Armut. Schließlich werden sie in eine Baracke geführt, werden von einem Mann mit „Schwangerschaftsbauch“ begrüßt, dieser führt sie zu seiner Tochter, einer jungen Frau mit neugeborenem Kind, am Ende zu einer weiteren Person, die sich innerhalb der Baracke versteckt hat: Albert stammt aus Simbabwe und lebt seit drei Jahren im Slum. Er ist der Vater des Kindes, lange konnte er mit seiner kleinen Familie relativ unbehelligt in dem Slum leben. Doch nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen ist sein Leben dort nicht mehr sicher. Lesego und Steve schmuggeln Albert aus dem Slum und weil sie nicht wissen, wo sie ihn verstecken könnten, bringen sie ihn in das Gartenhaus auf dem Reed‘schen Grundstück, das Wetho nach dem Überfall verlassen hat. Wieder könnte man sagen, das Andere betritt das Grundstück der Reeds, zuvor das Andere der Gewalt, vor der man sich trotz Wachen nicht schützen konnte, diesmal bestimmen die Reeds selbst, diesem Menschen Asyl zu gewähren.
Es scheint tatsächlich, als hätten diese Vorfälle bei Steve ein lange vermisstes Gefühl von Selbstbestimmung und Widerstand belebt. Die Probleme des Landes wurden jahrelang bis zum Überdruss besprochen, in der betont offenen Atmosphäre der Vorstadt konnte man seine Argumente und Meinungen zu den Katastrophen, die das Land heimsuchen, bedenkenlos vortragen, vor den Konsequenzen, den Katastrophen war man gefeit. Doch jetzt sind sie da, und Steve sieht, dass man im Einzelfall durchaus Hilfe leisten kann, die einen Unterschied ausmacht.
Dennoch könnte man den letzten Satz auch anders interpretieren.
Zwischen Jakes Bemerkung und dem „Ich gehe nicht“ steht ein Absatz, es ist also nicht gesagt, dass es sich um eine direkte Replik Steves auf Jakes Rede vom Glückspilz, der nun ja raus ist, handelt.
Beim Abschied in Jakes Haus wird wieder genauso palavert wie immer. Und ist es nicht gerade dieses Gerede ohne Konsequenzen, das Steve so satt hat? Könnte nicht sogar Jake seinen leisen Vorwurf („Glückspilz“) zu einer deutlichen Anklage steigern: Ich gebe nicht auf – ich gehe nicht?
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