Mitarbeiter, die Twitter „leben“
27.06.2012 | 17:32 | Nikolaus Koller (DiePresse.com)
Social Media Recruiting Conference: Der Einsatz von Web 2.0 zahle sich im HR jedenfalls aus, so Organisator Jan Kirchner.
Als Web-2.0-Unternehmer und Blogger ist man ja eigentlich ständig beschäftigt, weil online. „Social Media Recruiting kostet Entschlossenheit, Herzblut, Ausdauer und etwas Geld“, sagt denn auch Jan Kirchner, Partner bei der Social Media Recruiting Agentur „atenta“ und Co-Gründer des HR-Blogs „Wollmilchsau“, im Interview. Trotzdem fand der Veranstalter der Social Media Recruiting Conference (SMRC), die morgen, Donnerstag, und am Freitag in Wien stattfindet, am Vorabend der SMRC Zeit für ein „Presse“-Interview.
Die Presse: Warum steckt Social Media im Personalwesen bei noch so vielen Unternehmen in den Kinderschuhen?
Jan Kirchner: Weil viele Unternehmen unsicher sind, wie sie das Thema angehen sollen. Um solchen Unternehmen zu helfen, haben wir die Social Media Recruiting Conference ins Leben gerufen, die nun zum zweiten Mal in Wien stattfindet.
Was kostet Social Media, was bringt es?
Social Media Recruiting kostet Entschlossenheit, Herzblut, Ausdauer und etwas Geld. Unternehmen, die Social Recruiting nur als einen weiteren Posten im Budgetplan begreifen und mit Geld lösen wollen, scheitern häufig, weil sie mit Fantasielosigkeit die User langweilen. Wer aber bereit ist, nicht nur einen finanziellen sondern auch einen emotionalen Einsatz zu erbringen, für den zahlt sich Social Media mittelfristig auch aus.
Was zeichnet gutes Social-Media-Engagement in Unternehmen aus?
Dass Unternehmen Social Media im Employer Branding verstanden haben, zeigt sich an einem authentischen Auftritt statt Superlativ-behafteter Selbstbeweihräucherung, an regelmäßigen Einblicken in das Unternehmen und die angebotenen Karrieremöglichkeiten und dem erkennbaren Bemühen, auf Fragen, Kommentare und Meinungen zeitnah und hilfsbereit zu reagieren
Wer zeichnet für Facebook und Co verantwortlich? Bedarf es eines eigens geschaffenen SMO (Anm: Social Media Officers; eines Mitarbeiters, der nur für Social Media zuständig ist)?
Social Media lässt sich meiner Meinung nach nicht mit einer Stelle abdecken. Vielmehr betrifft es das ganze Unternehmen und erfordert eine gutes innerbetriebliches Zusammenspiel. Im Personalmarketing betreuen häufig die Personalisten die Facebook-Page oder den Blog. Sie sind aber darauf angewiesen, dass ihnen die Kollegen aus den Fachabteilungen Geschichten und Bildmaterial zuliefern, mit denen sie dann das Unternehmen als Arbeitgebermarke darstellen können. Das erfordert zwar zu Beginn etwas Koordinationsaufwand, hat aber langfristig den Vorteil, das die Einbeziehung vieler den Zeitaufwand des Einzelnen stark reduziert.
Auf welchen Plattformen sollten Firmen präsent sein und warum?
Das hängt grundsätzlich von der Ausrichtung des Unternehmens und der Zielgruppe des Recruitings ab. Die verbreitetsten Social-Media-Plattformen sind Blogs, Facebook, YouTube und Twitter. Aufgrund seiner enormen Größe entscheiden sich in der Praxis die meisten Unternehmen für den Einstieg bei Facebook. Daneben halte ich persönlich auch Blogs für ein sehr interessantes Employer Branding Instrument.
Twitter scheint momentan die Plattform der Stunde zu sein. Sollte man deswegen jedenfalls dort sein?
Für Unternehmen halte ich Twitter nicht für sonderlich geeignet, solange sie nicht publizistisch aktiv sind und dort beispielsweise ihre Blogposts verbreiten. Für einzelne Mitarbeiter kann Twitter beruflich durchaus lohnend sein. Aber auch nur, wenn sie Spaß daran haben und es "leben".
Sollte man als Unternehmen generell eher später auf neue Dienste „aufspringen“. Wer bei Pinterest dabei war, hat sich ja auch stark die Finger verbrannt…
Wer hat sich denn bei Pinterest die Finger verbrannt? Doch nur diejenigen mit unrealistischen Erwartungen. Aber zu Ihrer Frage. Meiner Meinung nach sollten Unternehmen sich nicht zuviel Zeit lassen, mit neuen Möglichkeiten zu experimentieren. Man muss nicht überall der Erste sein, aber im ersten Viertel sollte man schon dabei sein. Hierfür sprechen vor allem zwei Gründe. Zum einen müssen Unternehmen Social Media erst erlernen und zwar sowohl auf der personellen als auf der institutionellen Ebene. Denn wie überall haben nur diejenigen Erfolg, die verstehen, was sie tun. Zum anderen sichern sich Unternehmen, die zeitig einsteigen, den klassischen Early-Mover Vorteil. Denn wenn ich bei Facebook in meiner Branche schon 100 Arbeitgeberpages in meiner direkten geografischen Umgebung geliked habe, hat es der 101 ungleich schwerer meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Wer sich als Personalverantwortlicher nun überlegt, auf Facebook, Twitter und Co zu starten. Was sind die ersten Schritte?
Bevor man mit Social Media Recruiting startet, sollte man sich drei Dinge tun: Erstens seine Zielgruppe bestimmen, zweitens ein authentisches Selbstbild des Unternehmens herausarbeiten und dann ein Handlungskonzept erstellen. Darüber hinaus muss man sicht bewusst machen, dass eine Social-Media-Präsenz noch keine Kommunikation ist, sondern nur ein Kommunikationsmittel. Das Handlungskonzept sollte sich daher nicht auf die Gestaltung der Facebook-Page oder des Blogs beschränken sondern auch einige Vorüberlegungen zum Social-Media-Management im Alltag enthalten.