Bernd Schroeder: Hau

2. September 2006 | Von | Kategorie: Regional-Krimi

Die literarische Aufarbeitung historischer Kriminalfälle aus der Region hat anscheinend Konjunktur (s. Heidelberger Mordsteine). Bernd Schroeder bearbeitet in seinem Roman “Hau” einen Fall aus Baden-Baden.

Als 19-jähriger Jurastudent lernt Karl Hau auf Korsika die Familie Molitor kennen. Er heiratet die älteste Tochter, betrügt sie nach Strich und Faden, geht später als Anwalt undurchsichtigen Geschäften nach, und wird schließlich verhaftet, weil er die Mutter seiner Frau aus Habgier in Baden-Baden erschossen haben soll. In einem Indizien – Prozeß verurteilt ihn das Gericht in Karlsruhe zum Tode; im letzten Moment wird das Urteil aufgrund eines Gnadengesuchs in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Bereits vor Prozeßbeginn hat Haus Frau, Lina Molitor, Selbstmord begangen. Nach siebzehn Jahren wird Hau wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.

Felicitas von Lovenberg schreibt in der FAZ, die den Roman vorab veröffentlichte: “Schroeder jongliert virtuos mit den historischen Fakten, springt zwischen Orten, Zeiten und Konstellationen und verweigert klug eine eindeutige Interpretation. … als zurückhaltend glänzender Beobachter, wird er Hau gerecht – was weder Justiz noch Literatur bisher gelungen ist. Souverän beherrscht er die Fülle seines Materials; geschickt streut er zunächst Hinweise auf das noch zu verübende Verbrechen und den mutmaßlichen Täter, um später statt dem Verdacht dem Zweifel zu huldigen. So fragwürdig Haus Charakter erscheint, so gewiß ist die Meisterschaft dieses Romans.”

“Hau ist, was Justizerzählung im besten Fall sein kann: Sittengeschichte aus kriminalistischem Stoff. Die literarische Stärke von Schroeders Roman aber liegt in der dechronologisierenden Montagekonstruktion. Die Schauplätze und Zeitebenen der gesamten, über ein Vierteljahrhundert gedehnten Geschichte, vom Anbandeln auf Korsika über den Karlsruher Prozess bis zu Haus Haftentlassung und seiner Karriere als Buchautor in eigener Sache, mischt der Roman Kapitel für Kapitel wie ein Kartenspiel. So unterläuft er den eingleisigen, linearen Spannungsaufbau des konventionellen Thrillers und übernimmt das Regelwerk des Indizienprozesses als Methodik des Erzählens: Von allen Seiten kommen Fakten und Berichte.” schreibt Ursula Merz in der Frankfurter Rundschau.

Für Gerrit Bartels von der TAZ gehört der Roman zu den Top-Favoriten für den Deutschen Buchpreis 2006: “Ein Kriminalfall, ein historischer dazu, auch eine Liebesgeschichte: Die Bestselleringredienzen sind vorhanden.”

Hau selbst hatte nach der Haftentlassung seinen Fall in “Das Todesurteil” und “Lebenslänglich” beschrieben. Beide Bücher waren in den zwanziger Jahren Bestseller und trugen dazu bei, den Mord, der mit geheimen Liebschaften und exorbitanten Schulden in besten Kreisen und an mondänen Schauplätzen aufwartet, im Bewußtsein zu halten.

Bernd Schroeder liest aus “Hau”. Eine Veranstaltung im Rahmen des 4. Karlsruher Literaturforums. 19.09.2006, 20 Uhr. Ort: Literarische Gesellschaft.Karlstr 10, Karlsruhe

Bernd Schroeder: Hau. 368 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, Carl Hanser Verlag, München seit 26. August 2006 im Buchhandel ISBN: 3446207562

bestellen bei Libri

Artikel weiter empfehlen

Um Artikel über soziale Netzwerke weiterzuverbreiten, müssen Sie diese aktivieren - für mehr Datenschutz.

Keine Kommentare möglich.