Heidelberger Poetik-Dozentur mit Patrick Roth
20. Oktober 2004 | Von WT | Kategorie: Literaturveranstaltungen[Heidelberg] Patrick Roth wird die elfte Heidelberger Poetik-Dozentur vom 28. Oktober bis 12. November 2004 bestreiten. Roth gilt als der Regisseur unter den deutschen Autoren. Seine Texte sind inszeniert wie Kinofilme, arbeiten mit typischen Elementen der filmischen Formsprache und folgen einer strengen, auf Höhepunkte ausgerichteten Komposition. Dramaturgisch versiert, zielen sie auf Intensität und unmittelbare Wirkung. Wie sonst nur im Kino soll der Leser in Roths Geschichten hineingezogen, berührt und getroffen werden. In Heidelberg wird Patrick Roth berichten, was man von Hitchcock an suspense und timing lernen kann.
Alle Vorlesungen sowie eine Podiumsdiskussion koennen live im Internet verfolgt werden.
Die dreiteilige Poetik-Vorlesung steht unter dem Motto “Zur Stadt am Meer” und versteht sich als Fortsetzung der Frankfurter Vorlesungen “Ins Tal der Schatten” (2002 veröffentlicht). Waehrend in Frankfurt die Stoff-Findung im Mittelpunkt stand, wird in Heidelberg untersucht werden, auf welchen Wegen der Stoff in die Wirklichkeit des Textes
findet. Die früheren Erkundungen des Ursprungs künstlerischer Kreativitaet in Traum und Psyche richten sich nun ganz auf das Material, aus dem es gilt, die “Stadt am Meer” zu errichten. Was geschieht mit dem aus den Tiefen der Seele heraufgezogenen Fund im Licht des Bewusstseins, welchen Operationen muss er ausgesetzt werden, um die erwünschten Effekte zu erzielen? Und was macht der Stoff mit seinem Autor: Kommt er der souverän planenden, selbstkontrollierten Künstlerpersoenlichkeit nicht permanent in die Quere?
Die mit Literaturwissenschaftlern und Literaturkritikern besetzte Podiumsdiskussion “Are You Experienced?” am 12. November um 19 Uhr erläutert die Grundlagen von Patrick Roths Schreiben. Wie kein anderer Autor misst Roth dem eigenen Unbewussten grössten Stellenwert für die literarische Arbeit bei. Nicht zuletzt versteht er seine Literatur als “Passagenbereiterin” fuer ein Anderes, das auf jeden Leser seiner Texte wartet. Poetik-Vorlesungen und Diskussion werden jeweils als Live-Video ins Internet übertragen. Weitere Informationen darüber und ein ausführliches Programm findet man unter: http://www.gs-uni-heidelberg.de/poetik.
Patrick Roth wurde 1953 in Freiburg/Breisgau geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Seit 1975 lebt er in Los Angeles, wo er zum Schauspieler ausgebildet wurde und als Regisseur und Drehbuchschreiber gearbeitet hat. Patrick Roth pflegt ein ausgesprochen cineastisches Schreiben. Texte wie “Meine Reise zu Chaplin” (1997), “Die Nacht der Zeitlosen” (2001) oder “Starlite Terrace” (2004) nutzen filmische Stilmittel wie Zoom, Rückblende, schnelle Schnitte und die Technik der überblendung.
Angesiedelt sind die perfekt gebauten Geschichten im kalifornischen Alltag der Freeways, Delis, Filmstudios und Appartementhäuser, wobei in die alltägliche Situation Kindheitserinnerungen, Traumsequenzen und Filmerzählungen so eingewoben sind, dass die Realitätsebenen ineinander fliessen. Eine Szene aus “Vertigo” ist genauso real wie das, was dem Erzähler auf dem Mullholland Drive zustösst. Unter dem ganz normalen Wahnsinn des Alltags scheinen unversehens mythologische Muster durch. Roths Helden sind allesamt “kleine Leute” mit scheinbar spleenigen Geheimnissen, hinter denen Existentielles aufscheint: Schuld, Erlösung, Liebe und Tod.
(Quelle: idw – Pressemitteilung Universitaet Heidelberg 20.10.2004)
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