Mehr Rechtsstaatlichkeit im Kriminalroman
2. März 2010 | Von WT | Kategorie: Regional-KrimiBeim Publikum beliebt, von der Literaturkritk mit Naserümpfen bedacht, gehört der Kriminalroman zu den populärsten literarischen Gattungen überhaupt und nimmt in den Buchhandlungen einen recht beachtlichen Platz ein. Unabhängig von der literarischen Qualität bestimmen Elemente aus dem angelsächsischen Raum auch den deutschsprachigen Krimi.
Christine Lehman, Journalistin von Beruf und selbst Krimiautorin aus Leidenschaft, ärgert sich im Interview mit dem »Titel-Magazin«, wenn Krimihandlung und Realität so gar nicht in Übereinstimmung gebracht werden: »Was mir wahnsinnig gegen den Strich geht, ist die Art und Weise, wie die Polizei in Krimis mit Zeugen und Tatverdächtigen umgeht. Viele Krimis funktionieren ja so, dass die Ermittler irgendwann anfangen, einen, der eigentlich als Zeuge geladen ist und ganz harmlos dasitzt, ohne Vorwarnung zu überführen. Sie schreien ihn an, sie setzen ihn unter Druck, sie bedrohen ihn, sie tricksen ihn sogar aus.«
Zusammen mit Manfred Büttner hat Christine Lehmann einen Ratgeber für Krimiautoren geschrieben »Von Arsen bis Zielfahndung«. Büttner ist seit vielen Jahren als Steuerfahnder tätig. Neben seiner Arbeit als Ermittler in Wirtschaftsstrafsachen ist er Dozent an den Hochschulen der Polizei und der Steuerverwaltung des Landes Baden-Württemberg.
Die beiden Autoren behandeln vom Mordmotiv über die Tötungsarten, den Zustand der Leiche und die polizeilichen Ermittlungen so gut wie alles, was bei realen Tötungsdelikten eine Rolle spielt. Sie erklären präzise die Rollenverteilung zwischen Schutz- und Kriminalpolizei, Staatsanwälten und Richtern so wie sie in Deutschland nach Recht und Gesetz funktioniert. Der »Giftkunde«, der Fallanalyse und dem Umgang von Polizei und Justiz mit den Bürgern sind umfangreiche Kapitel gewidmet. Sie schreiben im Stil eines Sachbuches, das sich an den Ablauf von der Planung einer Tat bis zur ihrer Aufklärung und zum Prozess gegen den Täter hält.
Das Buch ist nicht nur für Krimiautoren interessant, sondern erst recht für Krimileser; sie können überprüfen ob und wie sehr sich eine Geschichte an realen Verhältnissen orientiert. Wie sehr Fiktionalität aus dem Roman sich in der realen Welt wiederfindet, zeigt sich daran, dass die Begriffe »Razzia« und »Durchsuchung« in der Nachrichtensprache gerne gleichgesetzt werden, obwohl es rechtlich zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Christine Lehmann und Manfred Büttner wollen auf gar keinen Fall die Fantasie der Krimischreiber einschränken, sondern sie sind im Gegenteil davon überzeugt, dass die Einbeziehung der Realität des polizeilichen Alltags Perspektiven für neue, spannende Geschichten eröffnet. Vielleicht lässt sich damit auch die Flut der »möchte-gern« Mrs. & Mr. Marples in den Regionalkrimis eindämmen – Meine Hoffnung wäre, es.
Büttner, Manfred und Lehmann, Cristine (2009), Von Arsen bis Zielfahndung – das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige, Argument-Verl., Hamburg ISBN 9783886197200 bestellen bei Libri
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