Regierung Oettinger gibt Badische Landesbibliothek zur Plünderung frei

26. September 2006 | Von | Kategorie: Bibliotheken regional

200 Jahre Baden wurden am Sonntag 24. September 2006 im Badischen Staatstheater gefeiert. Seit Tagen ist es allerdings vorbei mit der Feierlaune. Bekannt geworden ist ein geplanter Deal zwischen Landesregierung und dem Haus Baden. Letzterem soll gestattet werden, seine Finanznöte dadurch zu beheben, dass es Zugriff auf die historischen Buch- und Handschriftenbestände der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe erhält und sie auf dem freien Markt verscherbeln darf. Mit dem geschätzten Erlös von 70 Millionen Euro sollen die Kosten für die Renovierung des im Familienbesitz befindlichen Schlosses Salem am Bodensee beglichen werden. Der Rest soll in eine Stiftung fließen, mit der man den Unterhalt des zum Teil als Internat genutzten Schlosses finanzieren will. – Bundeweit und nicht nur in Fachkreisen regt sich Widerstand.

Nicht nur die Badische Bibliotheksgesellschaft protestiert, auch der Deutsche Bibliotheksverband schlägt Alarm. Für die frühere Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle grenzt der Vorgang an Veruntreuung und der Karlsruher Landtagsabgeordnete Stober hält eine Schenkung des Landes an eine Privatfamilie in Höhe von 70 Millionen Euro für völlig unakzeptabel.

Walter Umstätter, Profesessor f. Bibliothekswesen an der HU in Berlin, formuliert sarkastisch: “Wenn das richtig ist, möchte das Land also der Markgrafenfamilie durch einen Spendenaufruf helfen, weil es am Privatbesitz Salem ein Landesinteresse hat, aber anscheinend der Meinung ist, dass der Spendenaufruf eher glückt, wenn man die Bibliothek aufs Spiel setzt, als das Schloss. Das erinnert etwas an Vabanque. Das Ganze erinnert doch sehr an juristische Fingertricks bei einer Pseudoprivatisierung.”

Professor Dr. Albert Raffelt, stellvertretender Leiter der UB Freiburg schreibt in dr FAZ: “Unabhängig von der Rechtsfrage, ob das Haus Baden säkularisiertes Klostergut als Privateigentum betrachten darf – es ist nicht einzusehen, warum das Land einem Rechtsstreit aus dem Wege geht -, wird hier doch Kulturgut zur Disposition gestellt, das anerkanntermaßen zu den ganz zentralen Überlieferungsstücken des süddeutschen Mittelalters gehört.”

In der “Süddeutschen Zeitung” schreibt Norbert H. Ott: Ein dreister Versuch der Veruntreuung. Wie Baden-Würtemberg Hauptstücke eines Kulturerbes verscherbeln will, um einen Markgrafen zu sanieren.

Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in Baden-Württemberg bittet um Unterstützung einer “Online-Demonstration”. Schreiben Sie Günther Oettinger eine Mail und protestieren Sie dagegen. Sie koennen dafuer das folgende Kontaktformular nutzen: http://www.guenther-oettinger.de/index.php?id=297

Wir haben an die Mannheimer Landtagsabgeordneten Helen Heberer und Frank Mentrup SPD und Klaus-Dieter Reichardt CDU geschrieben und gefragt, wie sie den Vorgang beurteilen, ob sie den Plänen der Landesregierung zustimmen werden und ob sie eine juiristische Klärung der Eigentumsfrage für notwendig halten.
Die Antworten gibt es demnächst hier.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf den Seiten der Badischen Landesbibliothek und in archivalia und log.netbib

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