“Wir sind Mannheim” – na und?
4. Juni 2006 | Von WT | Kategorie: Buchmarkt regional“Wenn es gelingt, die Lebensqualität einer Stadt durch ihre Menschen spürbar werden zu lassen, dann gelingt dies in Mannheim. Kaum eine andere Stadt wird wohl von außen so verkannt, von ihren Bewohnern jedoch so liebevoll verehrt wie Mannheim.” Das meinen die Herausgeber im Vorwort zu ihrem Buch “Wir sind Mannheim”. Darin enthalten sind 63 Porträts von Menschen, die als Mannheimer empfunden werden oder sich als Mannheimer empfinden, fotografiert von Thommy Mardo.
Mardo, Haus- und Hoffotograf von den “Söhnen Mannheims” und Xavier Naidoo, gibt sein Bestes; nicht immer zum Vorteil der Porträtierten. Rentnerin Herta A. und Rentner Karlheinz K. benötigen ebensowenig eine Autogrammpostkarte wie Schwester Oberin Walburgis.
Wenn eine Schneiderin und ein Strafverteidiger gefragt werden: “Wie leben Sie in Mannheim?” – “Wir leben in einer schönen, großen Altbauwohnung mitten in den Quadraten.” – “Würde es Ihnen schwer fallen, woanders zu leben?” – “Ja.” sagt dies mehr über die Qualität des Buches als über die Lebensqualität der Stadt.
Ein breiter Querschnitt von Mannheimerinnen und Mannheimern, darunter Künstler, Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie die Rektoren der Universität Mannheim, der Hochschule Mannheim, dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Vorstände der Deutschen Bank, der MVV, aber auch Menschen des Alltags wie Lehrer, Studenten, junge Selbstständige, Ausländer und Migranten, engagierte Rentner und viele Menschen mehr, sollte porträtiert werden.
Der Zufallsgenerator scheint für die Auswahl der Porträtierten ebenso verantwortlich zu sein, wie für die Reihenfolge der Porträts im Buch. Ihre Anordnung verweigert sich jeder Systematik und jedem Zusammenhang. In den einzelnen Beiträgen wird Schwadroneuren jeglicher Couleur Raum gegeben für berufliche oder private Spitzfindigkeiten und zur Selbstdarstellung. “Wie hat sich dieses Flache Führungsprinzip positiv ausgewirkt?” wird etwa der Leiter des ZI (Zentralinstituts für Seelische Gesunheit) gefragt – “Was sind eigentlich Ihre Hobbys?” – “Zicke zacke Hühnerkacke!” hätte vermutlich Dicki Hoppenstedt aus der Loriot-Familie geantwortet. Daniel Hopp, dem der Opa zwar kein Atomkraftwerk zu Weihnachten geschenkt, sondern der Papi die SAP-Arena als AB-Maßnahme hingestellt hat, sagt jedoch: “Sport allgemein.” und der Leser findet das weit weniger lustig.
Die Idee, über einzelne Personen auch eine Stadt zu porträtieren, ist weder neu, noch in jedem Falle zum Scheitern verurteilt. Der Fotografin Susanne Klippel ist dies mit ihrem 1977 im Münchener Frauenbuchverlag erschienenen Buch: “Emilie Meier. Lieber sich gesund schimpfen als krank heulen” für Heidelberg vorzüglich gelungen.
Aber daran haben sich die Macher von “Wir sind Mannheim” nicht orientiert, eher an den TV-Quassel-Shows zur Mittagszeit (Um Zwei bei Karl – Was??). Ihr Konzept könnte aufgehen. Wenn zu 63 Porträrtierten nur je 2 bis 3 Freunde, Verwandte und Bekannte das Buch kaufen und die Herren Unternehmensvorstände einen Stapel davon für ihre Jubilare und zur Betriebsfeier ordern, ist die erste Auflage schwupp-di-wupp verkauft. Dann nichts wie raus auf die Straße zum Kandidaten-Casting für den zweiten Band.
Ulrich Wellhöfer, Herbert W. Rabl (Hrsg.): Wir sind Mannheim. Wellhöfer Verlag. Mannheim. März 2006. kartoniert. 200 Seiten ISBN: 3-939540-05-6
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