Wenn Tiere zu sehr lieben
admin | Posted 12/04/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »Wenn Helge Timmerberg nicht in Marokko ist, wohnt er in der Wiener Leopoldstadt. Und spielt Tischtennis. Seit er Tiere zum Sprechen gebracht hat, hört man ihn manchmal glückl ich sagen: “Ich bin Putzi!” Kurier-Redakteur Peter Pisa war dabei.
Putzi ist eine Katze, Chingachgook ist ein Chamäleon, und Aka ist ein Waran, der sich immer noch einbildet, er kann wie seine Dinosauriervorfahren Feuer spucken
(aber sein Mundgeruch ist schlimm genug). Dann kommt auch noch das Wildschweinbaby Haluf ins marokkanische Haus, und es muss erlaubt sein, wenn ein Kritiker hinter seinen Bücherbergen die Hände über dem Kopf zusammenschlägt: “Nicht das auch noch!”
Helge Timmerberg lacht. “Nicht das auch noch!”, wiederholt er und klopft sich auf die Schenkel. Der Deutsche ist als Reiseschriftsteller bekannt. Er war einer der Ersten, dessen Berichte aus Kalkutta, Tokio, Kairo, die er für “Stern”, “Die Zeit”, “Playboy” und “Merian” schrieb, auch als Erzählungen funktionierten. Der Sammelband “Tiger fressen keine Yogis” mit der Geschichte vom bösen indischen Zauberer, der seinen rechten Arm angeblich seit zwölf Jahren hochhält, erlebt im Piper Verlag bereits die sechste Auflage.
Nun muss man sich vorstellen: Timmerberg sitzt allein mit seinem Tiergarten im großen Haus in Marrakesch, das er 1992 zum Gesundwerden bei Depressionen mit Freunden gemietet hat. Es ist ein so genanntes Riad, eine kleine Burg mit Hof, Fenster nach innen. 750 gibt es in der Altstadt, davon sind 500 in ausländischer Hand, und 300 der 500 wurden in kleine Hotels umgebaut, in denen Ausländer an Ausländern verdienen. Das gefällt Helge Timmerberg, der heuer 55 wird, gar nicht.
Jedenfalls sitzt er so da und schaut Putzi zu und Haluf, dem Ferkel, und besucht den Waran, der auf dem Dach einen großen Käfig hat und dort stinkt – “und da hat mich dieses Märchen überfallen. Es war eine Eingebung. So etwas ist mir noch nie passiert!” Nach drei Monaten war “Das Haus der sprechenden Tiere” fertig. “Es ist wie mein allererstes Buch. Kein Mensch auf der Welt hat diese Geschichte. Ich habe die Realität neu gemixt. Die sind ja nicht doof, die Tiere.”
Anfangs sollte nur Putzi reden können. Aber bei Timmerberg herrscht Demokratie, jetzt reden alle Mitbewohner. Sie unterhalten sich auch über die Menschen. Das Chamäleon darf sogar dichten:
ZUNGENKUSS
Meine Zunge
tötet dich nicht.
Meine Zunge
verletzt dich nicht.
Meine Zunge
lähmt dich nicht.
Sie klebt dir
eine.
Es ist eine Liebesgeschichte geworden. Sie entspricht der marokkanischen Wahrheit. Alles ist so passiert: Putzi und das Schweinchen Haluf verlieben sich ineinander. Sie schlafen gemeinsam im Körbchen und spielen miteinander Gegen-die-Tür-Rennen.
Putzi hat aus lauter Liebe wieder angefangen, überall hinzupinkeln. Es ist eine Lovestory zwischen zwei Arten. Sie endet nicht gut. Darf es das nicht geben? Timmerberg findet “eine Fernbeziehung geiler. Nicht Liebe, nicht Glück, sondern Freiheit war mir immer das Wichtigste.” Und endlich muss es gesagt werden: “Das Haus der sprechenden Tiere” ist ein überraschendes Vergnügen für Bauch und Kopf; den voreiligen Kritikern zu Fleiß.
Der Autor hat mittlerweile Vertrauen zu sich selbst und freut sich auf seinen zweiten Roman: Eine musikalische Wiener Krimikomödie wird das werden, die in der Taborstraße im Cafe Magistrat – wo Kinderwagen unerwünscht sind – spielt.