Der Dichter Picasso

admin | Posted 17/05/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

Richtig gelesen: Pablo Picasso schwang nicht nur den Pinsel über die Leinwand, sondern zückte gelegentlich auch die Füllfeder. Die Berufung, Gedichte zu schreiben, ereilte den Künstler spät: Erst mit 54 wandte er sich der Lyrik zu. 100 seiner Gedichte sind nun in deutscher Übersetzung erschienen.

"Am witzigsten ist allerdings, dass man mich ernst nimmt,
als ob ich ein echter Schriftsteller wäre." Pablo Picasso (1881-1973) prägte als Maler, Grafiker und Bildhauer die moderne Kunst des 20. Jahrhunderts. Seine Schreibarbeit hingegen betrachtete er lediglich als reizvolle Nebenbeschäftigung, die selbst von der Kunstwelt lange unbeachtet geblieben war. Rund 100 der exzentrischsten Texte des
Künstlergenies liegen jetzt erstmals in deutscher Übersetzung unter dem Titel
"Gedichte" vor. Insgesamt existieren drei Theaterstücke sowie
350 Gedichte in Tagebuchnotizen.

Angeblich soll die Trennung von seiner
ersten Frau Olga einer der entscheidenden Momente für die
Hinwendung zum Schreiben gewesen sein. In den frühen Arbeiten von Ende 1935
lässt sich mancher Hinweis auf seine damalige Geliebte Marie-Therese Walter
entdecken, die er mit einer "Blume süßer als Honig" vergleicht. So
leicht zu entschlüsseln ist der Avantgardist der Moderne freilich in den
wenigsten Fällen. In einem ununterbrochenen Strom, ohne Komma und Punkt,
bersten seine Texte vor wilden Fantasien und prallen Bildern.

Einem ersten Entwurf konnten mitunter bis zu 18
Text-Varianten folgen. Auch beim Schreiben setzte Picasso ganz aufs Experiment,
selbst auf die Gefahr hin, dass der Sinn damit verloren geht. Unb wenn ihm
für den Spaß an den akrobatischen Sprachspielen Wörter nicht mehr ausreichten,
tauchten auch Zahlen und Noten auf: "do 3 re 1 mi 0 fa 2 sol 8 la 3 si
7 do 3 …".

Inhaltlich finden sich in den
Aufzeichnungen genau die gleichen großen Themen wie in den bildkünstlerischen
Werken: Erinnerungen, die Schönheit des gegenwärtigen Augenblicks und die
Vergänglichkeit der Zeit, Angst und Zerstörung, Liebe, Alter und Tod.
Zahlreiche Arbeiten sind von Spanien, dem Stierkampf, Tänzen, Volksliedern und
sogar der regionalen Küche inspiriert. Für den Schrecken der Franco-Diktatur
erfindet Picasso Bilder ungenießbarer Nahrungsmittel wie "Nagelsuppe"
oder "in seinem Saft gesottenes Stahlgemüse".

Geschrieben hat Picasso in spanischer und
französischer Sprache. Die letzte Niederschrift vom 18. Oktober 1954 im Atelier
du Fournas Vallauris endet mit den Worten: "Und damit Punktum." Nach
20 Jahren ist die Schreibphase, von Kennern inzwischen als Teil seines
künstlerischen Schaffens betrachtet, endgültig vorbei.

 


Pablo Ricasso
Gedichte.
Deutsche Verlags-Anstalt, 192 Seiten
Euro 15,40

Share and Enjoy:
  • Print
  • Digg
  • Sphinn
  • del.icio.us
  • Yahoo! Bookmarks
  • Facebook
  • Mixx
  • Google Bookmarks
  • Blogplay
  • LinkedIn
  • StumbleUpon
  • Twitter
  • RSS

Titel:
Lob: Über Literatur

ISBN-13:
9783498035488

Autor:
Daniel Kehlmann

Verlag:
Rowohlt

Kommentar verfassen

Connect with Facebook

Buch kaufen

Leseprobe

Related Posts

  • No Related Post