Spaghetti-Thriller

admin | Posted 21/05/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Ortsschild der Mafia-Hochburg Corleone

Donna Leon und ihr Commissario Brunetti haben italienische Krimis populär gemacht. Weniger bekannt sind hierzulande die italienischen Autoren. Zu Unrecht, findet ein Italiener.

Es sind waschechte Italiener, Polizisten mit einem Riecher für Mörder und die fein gesponnenen guten Beziehungen des Verbrechens in Politik und Behörden. Sie tragen schon mal Uniform, kommen aber meist im edlen Tuch der «moda italiana» daher; allesamt sind sie stets auf der Suche nach der besten Pasta, dem besten Fisch: Commissario Aurelio Zen, Maresciallo Guarnaccia und Commissario Brunetti.

Und auch ein «Geburtsfehler» ist ihnen gemein: Sie sind die Erfindung ausländischer Autoren. Für Michael Dibdin, Magdalen Nabb und Donna Leon ist das Land, wo die Zitronen blühen, vor allem das Land von Korruption und Camorra, der Stiefel ein hässlicher Wurmfortsatz.

Doch spätestens seit Andrea Camilleri, dem weisen Mann aus Porto d’Empedocle auf Sizilien, und seinem Commissario Montalbano hat sich das Blatt gewendet: Jetzt stehen auch die Autoren auf den Bestsellerlisten, die zwischen Bozen und Palermo geboren sind – «gialli italiani» nennt man ihre Werke.

Im Deutschen wurde daraus «Spaghetti-Thriller». Camilleri verkaufte in wenigen Jahren allein in Deutschland fünf Millionen Bücher mit Commissario Montalbano. Die Deutschen haben sich buchstäblich in ihn und sein Sizilien verliebt, es gibt sogar organisierte Busreisen zu den Schauplätzen der Bücher. Camilleri hat durch wohldosierten Einsatz des Dialekts und seine grossartigen erzählerischen Fähigkeiten eine eigene Welt mit dem Zentrum Vigata geschaffen, dem Fantasieort, an dem Montalbano lebt, leidet, liebt und natürlich isst.

In einem ganz anderen Bereich bewegt sich der Erfolg des Komikers Giorgio Faletti. Mit seinen bisher zwei Thrillern nach amerikanischem Vorbild und einer gewissen Vorliebe für Serienmörder wurde er auch im deutschsprachigen Raum bekannter, obwohl seine Romane meist nicht in Italien, sondern in Monaco, an der Cote d’Azur und in New York spielen.

Genauso überraschend ist der Erfolg, den seine Schriftstellerkollegen haben: Ärzte, Juristen, Polizisten und Journalisten, denen es gelungen ist, die Stilelemente des «noir» auf die italienische Gegenwart zu übertragen. Das Autorenduo Vincenzo de Falco und Diana Lama aus Neapel erzählt in «Tote Nymphe»und «Tod im Glashaus»von den Fällen des aus Süditalien stammenden Maresciallo Bagnasco in der reichen, ruhigen Provinz des Veneto.

Der sizilianische Journalist und Schriftsteller Roberto Mistretta hat mit seiner Serie um den leicht cholerischen, übergewichtigen Maresciallo Saverio Bonanno 2006 in Deutschland mit «Das falsche Spiel des Fischers» debütiert, 2007 folgt «Die dunkle Botschaft des Verführers». Seine Bücher decken insbesondere Gewalt gegen Kinder in all ihren Formen auf und zeichnen ein differenziertes Bild Siziliens. Sowohl de Falco/Lama als auch Mistretta sind im Ausland erfolgreicher als in Italien.

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Dies gilt auch für eine weitere Autorin, die im deutschsprachigen Raum ihre zweite Heimat gefunden hat. Liaty Pisani, die Königin des Spionagethrillers, veröffentlicht seit Langem ihre Bücher um den Agenten Ogden zuerst in deutscher Sprache. Sie wird inzwischen sogar mit Eric Ambler, Ian Fleming und John le Carré verglichen. Ein echter Thriller «made in Italy» ist Nino Filastòs Serie um Avvocato Scalzi.

Geschickt erzählt Filastò, der als Anwalt bei heiklen Prozessen wie dem um das «Monster von Florenz» und den Anschlag auf den Zug «Italicus» mitgewirkt hat, aus der Innenwelt der italienischen Justiz. In «Reise in die Nacht» und «In freiem Fall», die auch in Nordamerika grossen Erfolg haben, gibt Staatsanwalt Gianrico Carofiglio Kostproben der Geschichten aus seiner Heimatstadt um den krisengeschüttelten, geschiedenen Anwalt Guido Guerrieri.

Aus der Emilia kommt der Journalist Valerio Varesi, dessen Romane die provinzielle Welt der Poebene um Parma wiederaufleben lassen, in der die Wunden aus der Zeit des italienischen Widerstands noch nicht verheilt sind. Das Florenz der sechzier Jahre schildert Marco Vichi mit der Serie um seinen melancholischen Einzelgänger Comissario Casini, dessen Erinnerungen an seine Zeit als Partisan ebenfalls eine wichtige Rolle spielen und der in seinen Fällen immer wieder mit den Schatten der Vergangenheit konfrontiert wird.


«Die Signatur» und «Die Loge der Unschuldigen» des Polizisten Michele Giuttari spielen ebenfalls in der Toscana, aber in der Gegenwart. Von 1995 bis 2003 leitete er die Squadra mobile von Florenz und hat dort im weltberühmten Fall des «Monsters von Florenz» ermittelt und seine Erkenntnisse in einem gleichnamigen Sachbuch veröffentlicht. Das Genre des «Spaghetti-Thrillers» ist also auch in Italien quicklebendig – allen Vorurteilen zum Trotz.

Wie schrieb der Krimiautor und Kritiker Augusto de Angelis in den dreissiger Jahren: «Es heisst, bei uns gäbe es keine Ermittler, keine englischen policemen, keine Gangster. Das kann sein, aber ich glaube, Verbrechen haben wir genug

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