In der Kälte steckt die Wut

admin | Posted 26/06/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Rauchend, die leicht ergrauten Haare kurz geschnitten, die Sonnenbrille im Stil der siebziger Jahre: Martin Compart gäbe in seinem Krimi keine schlechte Figur ab.

Die EU ist ein korrupter Saustall – und mittendrin liegt Witten. In seinem Thriller "Der Sodom-Kontrakt" deckt Martin Compart mit brutaler Härte die Allianzen zwischen Wirtschaft, Politik und Mafia auf. Helden sucht man hier vergebens.

Harry Brenner ist kein Profi, auch kein abgrundtief schlechter Kerl, nur ein mieser kleiner Ganove. Als er dahinterkommt, dass der Wittener Bürgermeister mit den Taten des perversen belgischen Kindermörders Marc Dutroux in Verbindung steht, hat er sich verhoben.

Die Fäden reichen nach Brüssel, zur EU. Die Mafia versorgt hier die hohen politischen Kommissare mit Minderjährigen für ihre Orgien. Brenner weiß das und will den Bürgermeister erpressen; drei Kugeln sind sein Lohn, von Auftragskillern ausbezahlt. Von einem kleinen Fisch lassen sich die Herren Europas nicht stören.

Sein Freund Gill will den Sumpf trockenlegen. Doch der zynische, vom BND geschasste Geheimagent wird selbst zum Gejagten. Ihm soll die Schuld am Tod Harry Brenners in die Schuhe geschoben werden. Auch er weiß zu viel. “Der Sodom-Kontrakt” ist nichts für sensible Gemüter. Aber wer schnelle, harte Thriller mag, die geschickt Tatsachen mit Fiktion verquicken, der wird diesen Roman bis zum Showdown in Brüssel nicht aus der Hand legen.

Ein Page-Turner erster Güte. Martin Compart, der frühere Herausgeber der “K-Serie” bei Ullstein (einer Krimireihe mit Kultstaus) und Editor der (allerdings kurzlebigen) “Noir”-Reihe bei Dumont, hat seinem 2001 erstmals erschienenen Thriller noch mal das Fett aus den Seiten gesaugt. Damals fand die Veröffentlichung im kleinen, feinen Strange-Verlag statt, quasi unter strengster Geheimhaltung. Die neue Version ist schneller, packender und stilistisch verfeinert.

Hier ist kein Wort zu viel. Und das Buch ist genauso aktuell wie vor sechs Jahren. Martin Compart sieht so aus, wie man ihn sich nach der Lektüre seines Buches vorstellt: Die leicht ergrauten Haare kurz geschnitten, die Sonnenbrille im Zuhälterstil der siebziger Jahre, beiger Anzug. Nur das schwarze T-Shirt, das die schwedische Rockband “Mando Diao” preist, fällt etwas aus dem Rahmen. Aber der 53-Jährige lebt ja nicht im Zeitloch. Neben seiner kriminophilen Tätigkeit hat er sich über die Jahre einen Namen als Sammler gemacht – nicht nur von Büchern.

Seine Sammlung von Platten der “Rolling Stones” und der “Doors” gilt als legendär. Die Leidenschaft für den französischen Rocker Johnny Halliday ist ein kenntnissatter Distinktionsgewinn. Zurzeit interessiert er sich für australische Garagenmusik.

Er legt eine Platte der “Hoodoo Gurus” auf. “Ich war mal ein naiver Mensch, der an Che Guevara und die Revolution geglaubt hat”, sagt er beim dritten Pott Filterkaffee unter der strengen Sonne des späten April. “Aber solche Sachen wie diese Dutroux- Affäre lassen mich nicht kalt. Ich bin wütend, wenn ich erlebe, wie solche Sachen vertuscht werden. In der EU schließen Politik und Kriminalität Bündnisse. Deshalb habe ich Witten als Mikrokosmos der EU eine Hauptrolle in meinem Thriller spielen lassen.”

Korruption und Klüngel – beides hat der gebürtige Wittener, der jetzt in einer gepflegten Einfamilienhaussiedlung in Overath-Rott bei Köln wohnt, mit der Muttermilch aufgesogen. 25 Jahre lang saß seine Mutter Erna als Stadträtin für die SPD im Wittener Rathaus. Da hat man gar keine Zeit, unschuldig auf die Welt zu kommen. Sein Volontariat bei einer regionalen Tageszeitung hat seinen Glauben an die Rechtschaffenheit von Politikern auch nicht gestärkt.[pagebreak]


Blut ist auch nur Orangensaft

Es steckt viel von Compart selbst im “Sodom-Kontrakt”. Den Zuhälter und Videothekenbetreiber “Karibik-Klaus” hat er nach einem früheren Arbeitgeber modelliert.

“Als Student – ich musste ja von irgendwas leben – hatte ich als Fahrer eines Luden angeheuert, der wegen Suff seinen Führerschein verloren hatte. “Karibik-Horst” wurde der genannt. Aber ich musste immer mitsaufen, sodass wir bald nur noch zusammen Taxi gefahren sind.

Da hat er mich dann tatsächlich eines Tages gefragt, warum er mich denn eigentlich bezahlt.” Protagonist Gill dagegen ist dem Helden der englischen TV-Serie “Der Mann mit dem Koffer” geschuldet, die, so Compart, “das Happyend abgeschafft hat”. Gill ist ein durch und durch zynischer Anti-Held, der wie seine Verwandten Spade, Marlowe und Bond stets auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse balanciert.

Der Mann hat zu viele Eingeweide gesehen; Blut erscheint ihm wie Orangensaft. Und dann ist da noch die Dortmunder Hauptkommissarin Alexa Bloch, eine zielorientierte Nymphomanin mit langen Beinen und großen Brüsten, in ihrer emotionalen Härte ein Pendant zu Gill. Der Zynismus kriecht aus allen Seiten des “Sodom-Kontrakt”. Da wundert es kaum, dass sich sein Schöpfer Compart selbst als Zyniker bezeichnet. “Zyniker sind enttäuschte Romantiker”, lässt er Gill Lord Byron an einer Stelle zitieren.

“Um zynisch zu werden, muss man die Welt verstehen lernen”, meint Compart. “Dann hat man einen Panzer. Der macht einen zwar nicht glücklich, aber auch nicht unglücklicher. Und er hilft, seine Wut zu verarbeiten.” Zurzeit arbeitet Martin Compart an seinem nächsten Roman, einer “bösartigen Gangstergeschichte aus dem Revier”. Noch böser als der “Sodom-Kontrakt”? Wir sind gespannt.

Martin Compart

Der Sodom-Kontrakt

Alexander Verlag

300 Seiten

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In der Kälte steckt die Wut

admin | Posted 20/06/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Rauchend, die leicht ergrauten Haare kurz geschnitten, die Sonnenbrille im Stil der siebziger Jahre: Martin Compart gäbe in seinem Krimi keine schlechte Figur ab. mi keine schlechte Figur ab.

Die EU ist ein korrupter Saustall – und mittendrin liegt Witten. In seinem Thriller "Der Sodom-Kontrakt" deckt Martin Compart mit brutaler Härte die Allianzen zwischen Wirtschaft, Politik und Mafia auf. Helden sucht man hier vergebens.

Harry Brenner ist kein Profi, auch kein abgrundtief schlechter Kerl, nur ein mieser kleiner Ganove. Als er dahinterkommt, dass der Wittener Bürgermeister mit den Taten des perversen belgischen Kindermörders Marc Dutroux in Verbindung steht, hat er sich verhoben.

Die Fäden reichen nach Brüssel, zur EU. Die Mafia versorgt hier die hohen politischen Kommissare mit Minderjährigen für ihre Orgien. Brenner weiß das und will den Bürgermeister erpressen; drei Kugeln sind sein Lohn, von Auftragskillern ausbezahlt. Von einem kleinen Fisch lassen sich die Herren Europas nicht stören.

Sein Freund Gill will den Sumpf trockenlegen. Doch der zynische, vom BND geschasste Geheimagent wird selbst zum Gejagten. Ihm soll die Schuld am Tod Harry Brenners in die Schuhe geschoben werden. Auch er weiß zu viel. “Der Sodom-Kontrakt” ist nichts für sensible Gemüter. Aber wer schnelle, harte Thriller mag, die geschickt Tatsachen mit Fiktion verquicken, der wird diesen Roman bis zum Showdown in Brüssel nicht aus der Hand legen.

Ein Page-Turner erster Güte. Martin Compart, der frühere Herausgeber der “K-Serie” bei Ullstein (einer Krimireihe mit Kultstaus) und Editor der (allerdings kurzlebigen) “Noir”-Reihe bei Dumont, hat seinem 2001 erstmals erschienenen Thriller noch mal das Fett aus den Seiten gesaugt. Damals fand die Veröffentlichung im kleinen, feinen Strange-Verlag statt, quasi unter strengster Geheimhaltung. Die neue Version ist schneller, packender und stilistisch verfeinert.

Hier ist kein Wort zu viel. Und das Buch ist genauso aktuell wie vor sechs Jahren. Martin Compart sieht so aus, wie man ihn sich nach der Lektüre seines Buches vorstellt: Die leicht ergrauten Haare kurz geschnitten, die Sonnenbrille im Zuhälterstil der siebziger Jahre, beiger Anzug. Nur das schwarze T-Shirt, das die schwedische Rockband “Mando Diao” preist, fällt etwas aus dem Rahmen. Aber der 53-Jährige lebt ja nicht im Zeitloch. Neben seiner kriminophilen Tätigkeit hat er sich über die Jahre einen Namen als Sammler gemacht – nicht nur von Büchern.

Seine Sammlung von Platten der “Rolling Stones” und der “Doors” gilt als legendär. Die Leidenschaft für den französischen Rocker Johnny Halliday ist ein kenntnissatter Distinktionsgewinn. Zurzeit interessiert er sich für australische Garagenmusik.

Er legt eine Platte der “Hoodoo Gurus” auf. “Ich war mal ein naiver Mensch, der an Che Guevara und die Revolution geglaubt hat”, sagt er beim dritten Pott Filterkaffee unter der strengen Sonne des späten April. “Aber solche Sachen wie diese Dutroux- Affäre lassen mich nicht kalt. Ich bin wütend, wenn ich erlebe, wie solche Sachen vertuscht werden. In der EU schließen Politik und Kriminalität Bündnisse. Deshalb habe ich Witten als Mikrokosmos der EU eine Hauptrolle in meinem Thriller spielen lassen.”

Korruption und Klüngel – beides hat der gebürtige Wittener, der jetzt in einer gepflegten Einfamilienhaussiedlung in Overath-Rott bei Köln wohnt, mit der Muttermilch aufgesogen. 25 Jahre lang saß seine Mutter Erna als Stadträtin für die SPD im Wittener Rathaus. Da hat man gar keine Zeit, unschuldig auf die Welt zu kommen. Sein Volontariat bei einer regionalen Tageszeitung hat seinen Glauben an die Rechtschaffenheit von Politikern auch nicht gestärkt.[pagebreak]


Blut ist auch nur Orangensaft

Es steckt viel von Compart selbst im “Sodom-Kontrakt”. Den Zuhälter und Videothekenbetreiber “Karibik-Klaus” hat er nach einem früheren Arbeitgeber modelliert.

“Als Student – ich musste ja von irgendwas leben – hatte ich als Fahrer eines Luden angeheuert, der wegen Suff seinen Führerschein verloren hatte. “Karibik-Horst” wurde der genannt. Aber ich musste immer mitsaufen, sodass wir bald nur noch zusammen Taxi gefahren sind.

Da hat er mich dann tatsächlich eines Tages gefragt, warum er mich denn eigentlich bezahlt.” Protagonist Gill dagegen ist dem Helden der englischen TV-Serie “Der Mann mit dem Koffer” geschuldet, die, so Compart, “das Happyend abgeschafft hat”. Gill ist ein durch und durch zynischer Anti-Held, der wie seine Verwandten Spade, Marlowe und Bond stets auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse balanciert.

Der Mann hat zu viele Eingeweide gesehen; Blut erscheint ihm wie Orangensaft. Und dann ist da noch die Dortmunder Hauptkommissarin Alexa Bloch, eine zielorientierte Nymphomanin mit langen Beinen und großen Brüsten, in ihrer emotionalen Härte ein Pendant zu Gill. Der Zynismus kriecht aus allen Seiten des “Sodom-Kontrakt”. Da wundert es kaum, dass sich sein Schöpfer Compart selbst als Zyniker bezeichnet. “Zyniker sind enttäuschte Romantiker”, lässt er Gill Lord Byron an einer Stelle zitieren.

“Um zynisch zu werden, muss man die Welt verstehen lernen”, meint Compart. “Dann hat man einen Panzer. Der macht einen zwar nicht glücklich, aber auch nicht unglücklicher. Und er hilft, seine Wut zu verarbeiten.” Zurzeit arbeitet Martin Compart an seinem nächsten Roman, einer “bösartigen Gangstergeschichte aus dem Revier”. Noch böser als der “Sodom-Kontrakt”? Wir sind gespannt.

Martin Compart

Der Sodom-Kontrakt

Alexander Verlag

300 Seiten

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Titel:
Über kurz oder lang

ISBN-13:
9783596853908

Autor:
Marie-Aude Murail

Verlag:
Fischer (Tb.), Frankfurt

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