Martin Walser und die Kunst
admin | Posted 04/06/2007 | Autoren | Keine Kommentare »
Eine Ausstellung in Überlingen am Bodensee gibt Einblick in die private Kunstsammlung des Autors, der am 24. März seinen 80. Geburtstag feierte.
Erzähler, Sprachvirtuose und Provokateur – all das und vieles mehr ist Martin Walser. Doch wie steht es mit seinem Verhältnis zur Kunst? "Die Wirklichkeit ist zum Wegschauen, die Kunst zum Hinschauen", hat er kürzlich in einem "Spiegel"-Interview gesagt. Welch hohen Stellenwert die bildende Kunst in seinem Leben und Schreiben hat, beleuchtet nun erstmals eine Ausstellung in seinem Wohnort Überlingen am Bodensee, die vergangenen Samstag eröffnet wird. Anlässlich seines 80. Geburtstags am 24. März hat Kulturamtsleiter Michael Brunner mit Hilfe der Walser-Tochter Johanna Überraschendes zusammengetragen: rund 100 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafiken.
Für die Schau mit dem Titel "Martin Walser und die Kunst" hat der Schriftsteller erstmals Einblick in seine Privatkollektion gewährt. 60 Exponate stammen aus seiner persönlichen Sammlung. Die übrigen sind Leihgaben von Museen und aus privaten Sammlungen. Klangvolle Namen wie Johannes Grützke oder Werner Tübke sind mit Spitzenwerken darunter. Malbriefe, die sich Walser beispielsweise mit Horst Janssen schrieb, schmücken die Galeriewände. Ein Holzschnitt von HAP Grieshaber erinnert daran, dass Walser dem Künstler sein Theaterstück "Sauspiel" (1975) gewidmet hat. Verbunden fühlt sich Walser mit "literarischen Malern", weil ihre Themen geschichtliche und literarische Anbindungen erlauben.
Als besondere Attraktion der Ausstellung aber gelten Walsers intime Ideenskizzen. Das sind spontane "Kritzeleien", wie er sie nennt, die fast unbewusst während des literarischen Schaffensprozesses, aber auch bei Telefonaten oder Vereinsversammlungen auf Blättern jedweder Art entstehen. Zur Veröffentlichung waren sie – von Ausnahmen in seinen Tagebüchern abgesehen – eigentlich nie gedacht.
Blickfang der Ausstellung ist ein Walser-Porträt von Grützke, entstanden 2001. Der Autor fühlt sich nach eigener Auskunft mit den charakteristischen buschigen Augenbrauen, dem grauen Haarschopf und einem grimmigen Gesichtsausdruck gut getroffen. "Ja, ich glaube so sehe ich innen aus", sagt Walser in einem Gespräch mit dem Basler Germanisten Martin Zingg, das im Katalog zu finden ist. "Da konnte ich dankbar sein, dass man mein Inneres so ins Sichtbare stülpen kann."
In der Schau vertreten ist auch Walsers Tochter Alissa. Sie hat viele Einbände seiner Bücher illustriert und Walsers jüngsten Lyrikband "Das geschundene Tier" mit ihren Zeichnungen vervollständigt. Im Gespräch mit Zingg erzählt der Autor, wie einst der Titel zu seiner Novelle "Ein fliehendes Pferd" (1978) entstand. Der Vater ließ sich von einem Bild der damals 16-jährigen Alissa inspirieren. Sie hatte ein feurig-rotes Pferd gemalt, das durchs Grüne läuft. Die Ausstellung ist bis zum 21. Oktober geöffnet, der Katalog kostet 19,95 Euro. (dpa/eg)