Bildung macht sexy. Ariadne von Schirach sucht die neue Lust
admin | Posted 09/07/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Sex-Ikone! So wird Ariadne von Schirach bereits von einer ganzen Generation gefeiert. Doch mit ihrem Debüt “Der Tanz um die Lust” hat sie anderes im Sinn. Sie ist auf der Suche nach der wahren Liebe. Doch wo gibt´s die noch?
Männer speichern Porno-Bilder auf ihrem Computer und kategorisieren sie. Manche Mädchen haben dann sogar Namen. Junge Frauen tragen Snoopy-Slips oder Höschen mit der Aufforderung “Park and Ride”. Gerne auch T-Shirts, die behaupten, die Trägerin sei ein “Pornstar” oder eine “Schlampe”. Haltestellen zeigen Werbeplakate, mit knackigen Körpern von H&M-Models – oder noch wahnsinniger – der Muskel-Madonna; Auffahrunfälle häufen sich. Schlimm geworden ist es mit den Menschen. Sex ist allgegenwärtig, unausweichbar, Porno gesellschaftsfähig. Alles geht – den Bach runter.
Ariadne von Schirach ist das aufgefallen. Und es regt sie auf. Sie verspürt, wie ihr Leidensgenosse Michel Houellebecq mal formulierte, “die Entstehung eines monströsen globalen Mangels”. Der Liebe eben. Dann schreibt sie “Der Tanz um die Lust”. Hierin steckt nicht eine einzige neue Erkenntnis. Aber die Zusammensetzung, die Kontextualisierung der einzelnen beobachteten Phänomene – geschrieben in einer Mixtur aus Dirty Talk, Pop-Prosa, MTV-Poesie und mit philosophischen Dienstleistungen von Adorno bis Barthes – ist das witzigste Traktat, das zum Thema Liebe und Sex derzeit käuflich ist. Es ist klug durchanalysiert. Und es hat was zu erzählen. Mit exemplarischen Figuren, die wirklich jeder kennt..
Da gibt es König Gunther, den DJ, Gelegenheits-Journalisten, und Barkepeeper. Er hat One-Night-Stands, wenn ihm danach ist. Oder SusiPop, eine elfengleiche Sirene, die sich zum Andocken mit einem Glas Grasovska an Bartresen stellt und dort nicht lange bleibt. Und Vincemän , den Über-Mann schlechthin. Der sieht zwar immer sexy aus, hat aber selten Sex. Alle sind Vertreter des “urbanen Pennertums”, jener Klienetel also, die zwar nichts zu fressen, aber immer was zum Koksen und Kiffen hat. Leute, die irgendwie was mit Medien oder Kunst zu tun haben und nachts in Szenekneipen an der Degeneration ihres Zustands entlangflanieren. Sie verdienen rund 1000 Euro pro Monat.
Es gibt auch eine Ich-Erzählerin, die ihren Namen nicht nennt. Es könnte Ariade von Schirach sein. Aber davon will sie nichts wissen. “Ich will kein Markenzeichen sein”, sagt sie.
Ariadne von Schirach raucht Zigaretten der Marke “Nil”. “Eine pro Stunde”, sagt sie. In ihren schwarzen Leggings, die bis zur blassen Wade reichen, und den ausgetretenen beigen Chucks, scheint es gar, als wolle sie ein äußeres Zeichen setzen gegen diese Idee vom Markenzeichen Schirach. Sie ist relativ ruhig und kaum nervös. So gar nicht der Hibbel, als den man sie von ihren bisherigen Auftritten in TV-Talkshows kennt. Sie hat zu einem ernsten Thema ein ernstes Buch geschrieben, bei jedoch der Witz der Formulierung und die Schärfe der Analyse dominieren. Ihr Thema ist ihr wichtig; sie selbst weniger. Sagt sie.
Aber das ist gar nicht so leicht. Schon der Name. Ariadne von Schirach ist die Enkelin des Nazi-Reichsjugendverführers Baldur von Schirach. Und – so wird gern vereinfacht – sie hat ein Sex-Sachbuch geschrieben, in dem Sätze vorkommen wie “Lang lebe der Cum-Shot” oder “Ficken als Gebet”. Sehr provokativ. Nazi-Porno, prima!
Doch solche griffigen Etikettierungen führen in die Irre. Ihren Großvater hat sie gar nicht kennengelernt, und einen Porno hat sie bei aller sprachlichen Deftigkeit auch nicht geschrieben. Die 28-jährige gebürtige Münchnerin, die seit einigen Jahren in einer Altbauwohnung in Berlin-Mitte wohnt, betrauert in ihrem amüsanten wie intelligenten Buch die steigende Unmöglichkeit, in einer durchsexualisierten Welt seine individuelle Lust zu bewahren. “Begehrenswert zu sein – das ist in unserer heutigen Zeit eines der letzten Ideale. Leider muss man da aber in erster Linie die körperlichen Anforderungen erfüllen, was immer schwieriger wird. Denn wir sind umgeben von perfekten Körpern, die uns einem unheimlichen Optimierungswahn unterwerfen. Und die Frauenmagazine liefern doch in beinahe jeder Ausgabe einen Extra-Ratgeber, der uns erklärt, wie wir