Es war einmal in Haldensleben …
admin | Posted 03/08/2007 | Autoren | Keine Kommentare »
Seit nunmehr fast 200 Jahren haben die Brüder Grimm
eine treue Leserschaft. Ihre Märchen und Erzählungen wurden in mehr als 160
Sprachen und Dialekten veröffentlicht. Jacob und Wilhelm Grimm gaben aber auch
die "Deutsche Grammatik" sowie das "Deutsche Wörterbuch"
heraus und gelten damit als Mitbegründer der modernen Germanistik.
Von ihren Werken und vom Alltag der berühmten Brüder erzählt
eine Ausstellung im Museum Haldensleben (Sachsen-Anhalt), das seit 1964 einen
Teil des privaten Grimm-Erbes besitzt. Vermacht wurde dem Museum der bedeutende
Nachlass von der einzigen, unehelichen Enkeltochter Wilhelm Grimms, Albertine
Plock, die von 1902 an in Althaldensleben lebte.
Zu der Grimm-Sammlung des Museums Haldensleben gehören 1900 Bücher,
Kleinmöbel, Gebrauchsgegenstände, handschriftliche Unterlagen, Fotografien und
Kleidungsstücke. Das wohl prächtigste Stück empfängt den Besucher gleich am
Eingang. Es ist Jacob Grimms kunstvoll bestickter Gala-Frack, den er 1815 auf
dem Wiener Kongress trug. Auf der anderen Seite des Raums stehen das
Nähtischchen und der Sessel von Wilhelm Grimms Frau Dorothea und eine
Eckvitrine. "Das war Wilhelms Schokoladenschrank in seinem Berliner
Arbeitszimmer", erzählt Judith Vater vom Museum Haldensleben. "In
einem Brief schrieb er einmal, dass er da immer noch reingreife, wenn er mal
Lust auf Schokolade habe", berichtet Vater, die seit 2001 in Haldensleben arbeitet
und hauptsächlich für die Grimm-Ausstellung zuständig ist.
Bereits seit 1978 gibt es im Museum Haldensleben eine Dauerausstellung
zum Leben und Werk der Brüder Grimm. Zwischen 2000 und 2005 wurde sie neu
konzipiert. "Zu DDR-Zeiten hatte Haldensleben den Status einer nationalen
Gedenkstätte, weil es das einzige Museum war, das authentische Gegenstände von
den Grimms besaß. Nach der Wende musste man überlegen, worin die Spezifik von
Haldensleben im Vergleich zu anderen Sammlungen, wie zum Grimm-Museum in
Kassel, liegen könnte", sagt Vater. Da ein großer Teil des Nachlasses von
den Nachfahren Wilhelm Grimms stammt – Jacob war nicht verheiratet und hatte
keine Kinder – sollte sich die Dauerausstellung nicht nur den Brüdern Grimm,
sondern auch ihrer Familie widmen.
Die aktuelle Ausstellung porträtiert deshalb neben Jacob und
Wilhelm Grimm auch Wilhelms Sohn, Herman Grimm, sowie seine Frau Gisela von
Arnim, selbst Schriftstellerin und Tochter von Achim und Bettine von Arnim.
Gleich daneben erinnert eine kleine Fotosammlung auch an Albertine Plock, der
das Museum Haldensleben den Grimm-Nachlass verdankt. Sie war das Kind von
Wilhelms zweitem Sohn, Rudolf, der ein Verhältnis mit dem Dienstmädchen Agnes
Oesterreich hatte. "Die Familie Grimm ging sehr offen mit dieser Beziehung
um. Albertine wuchs zwar bei einer Tante mütterlicherseits in Magdeburg auf,
besuchte die Grimms in Berlin aber öfter und wurde schließlich als Erbin
eingesetzt", erklärt Judith Vater.
Besucher von Haldensleben nehmen die Raritäten der Grimm-Ausstellung
meistens erstaunt wahr und stellen den Haldenslebener Museologen vor allem
Fragen nach der Herkunft der Sammlung. "Wir haben aber auch oft Anfragen
von Wissenschaftlern aus ganz Deutschland, die sich vor allem für die
Bibliothek der Grimms oder die Handexemplare des Deutschen Wörterbuchs mit den
handschriftlichen Bemerkungen interessieren", berichtet Judith Vater
erfreut von den Forschungsarbeiten im Haldenslebener Museum.