Fernando, der Bürgerschreck

admin | Posted 06/08/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

In letzter Zeit ist es still geworden um
Fernando Arrabal, das einstige "Enfant terrible" der spanischen Literatur.
Aber so ganz kann der alte Provokateur, der am Samstag, 11. August, 75 Jahre
alt wird, das Sticheln doch nicht lassen: "Ich bin Atheist, aber ich bete
jeden Abend – für den Fall der Fälle."

"Wenn es Gott nicht gibt, habe ich nichts verloren.
Aber wenn es ihn doch gibt, bin ich der große Gewinner", erklärte Arrabal
vor kurzem in einem Interview.

Als in Spanien noch strenge Sittengesetze und die Zensur der
Franco-Diktatur herrschten, sahen die Machthaber in dem Bühnenautor, Romancier
und Filmemacher so etwas wie ein Schreckgespenst. Arrabals Theaterstücke
kreisten zumeist um Krieg, Tod und Schrecken. Gewalt- und Nacktszenen lösten so
manchen Theaterskandal aus. Der "Spiegel" bezeichnete den Autor 1966
als den "bislang schlimmsten Sittenstrolch des modernen Theaters".

Arrabal verarbeitete in vielen Stücken Kindheitserinnerungen
vom spanischen Bürgerkrieg (1936-1939). Der Krieg hatte auch die Familie des
Autors zerrissen. Arrabals Mutter stand fest zum späteren Diktator Franco. Der
Vater dagegen war ein republiktreuer Offizier und wurde nach Kriegsbeginn von
Franco-Getreuen verhaftet und zum Tode verurteilt. Nach der Umwandlung der
Todes- in eine Haftstrafe flüchtete er aus dem Gefängnis, tauchte aber danach
nie wieder auf.

Der aus der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla stammende Arrabal
siedelte 1955 nach Paris über, wo er auch heute noch lebt. 1967 wurde er bei
einem Besuch seiner spanischen Heimat festgenommen. Er hatte einem
Offizierssohn als Widmung in ein Buch geschrieben: "Ich scheiße auf Gott,
das Vaterland und auf alles Andere." Auf internationalen Druck kam er nach
knapp einem Monat wieder frei.[pagebreak]

Die Kerkerwochen verarbeitete Arrabal in dem Theaterstück
"Der Architekt und der Kaiser von Assyrien", das als eines seiner wichtigsten
Werke gilt. Der Autor legte sich aber auch mit der Linken an. Während einer
Debatte der anarchistischen Gewerkschaft CNT in Barcelona sorgte er für einen
Skandal, als er 1983 den Wunsch aussprach, dass den Anarchisten die Heilige
Jungfrau erscheinen solle, dass Spanien zum "Goldenen Zeitalter"
zurückkehre und sich Figuren wie Don Quijote oder die Heilige Theresa zum
Vorbild nehme.

In einem "Brief an Fidel Castro" (1984) verglich
er den kubanischen Staatschef mit dem "Big Brother" in George Orwells
Roman "1984". Arrabal musste bald einsehen, dass er mit seinen
absurden Stücken im Stile eines Samuel Beckett oder Eugène Ionesco an Grenzen stieß:
"Die Leute sind es leid, ins Theater zu gehen und erschreckt zu
werden." In den 70er und 80er Jahren verfasste er Drehbücher für Filme,
die er zumeist auch selbst inszenierte, sowie Romane und Gedichtbände.

Sein Privatleben entsprach allerdings nie dem Image eines "göttlichen
Anarchisten", wie der Autor sich selbst einmal bezeichnete. "Die
Leute stellen sich vor, dass ich ständig Orgien feiere. Aber die einzige Orgie
ist das Schreiben", sagte er vor Jahren. "Ich lebe völlig ruhig mit
meiner Frau und den Kindern." (APA/dpa)

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