“Spannend und degoutant”

admin | Posted 18/08/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

Heute feiert der französische Schriftsteller Alain
Robbe-Grillet seinen 85. Geburtstag. Er hat die Literatur seines Landes in den
50er und 60er Jahren wesentlich mitgeprägt.

Der französische Schriftsteller Alain Robbe-Grillet gilt
heute noch als "enfant terrible" des französischen Literaturbetriebs.
Er ist schwer einzuschätzen, und seine Reaktionen sind unerwartet. "Ein
Gespräch mit Robbe-Grillet zu führen, ist wie Trekking in Nepal: voller
Überraschungen", schrieb das Literaturmagazin "Lire" kürzlich.
Für nicht weniger Überraschungen und Aufsehen sorgten auch seine Romane – wie
sein jüngstes Werk "Die Wiederholung". Ein in Berlin handelnder
Spionageroman, der voller Erotik und mit stark sadomasochistischer Tendenz ist.
"Ich stehe zu meiner erotischen Vorliebe. Seit ich zwölf bin, mag ich
junge Mädchen", sagte der umstrittene Erfolgsautor, der am 18. August 85
Jahre alt wird.

Seine Offenheit überrascht und schockiert seit jeher, und
der graubärtige Autor ist Skandale um seine Person und Romane gewohnt. Vor fünf
Jahren fand im Centre-Pompidou sogar eine zweitägige Veranstaltung statt mit
dem Titel: Wer hat Angst vor Robbe-Grillet?

Den ersten Skandal löste der studierte Agraringenieur gleich
zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere aus. In dem 1955 veröffentlichten Roman
"Der Augenzeuge", beschreibt er einen Handelstreibenden, der auf
einer Insel Uhren verkauft und den ganzen Tag mit seinem Mietfahrrad unterwegs
weg, bis eines Tages ein junges Mädchen ermordet wird. Als obszön und unlesbar
wurde das Werk von vielen Kritikern verschrien, die Robbe-Grillet rieten, sich
ein Zimmer in einer Pariser Klinik für Psychiatrie geben zu lassen.[pagebreak]

Als unlesbar wurde der Roman deshalb bezeichnet, weil Robbe-Grillet
damals nicht nur moralische Grenzen überschritt, sondern auch die überlieferten
Erzählstrukturen erneuerte, was ihn zu einem der Hauptvertreter der
literarischen Richtung des Nouveau Roman machte.

Ihn begeistern literarische und sprachwissenschaftliche
Theorien. Deshalb schloss er sich in den 50er Jahren Autoren wie Nathalie
Sarraute, Claude Simon und Marguerite Duras an, die die Kohärenz von
Charakteren und Handlungsabläufen ablehnten. Sie wehrten sich gegen die
Psychologisierung ihrer Figuren und stellten die "Dichtung des reinen
Tatbestands" in den Vordergrund.

Die sprachexperimentelle und die erotische Ader prägen viele
seiner Werke wie "Die Niederlage von Reichenfels", "Die blaue
Villa in Hongkong", "Projekt für eine Revolution in New York",
"Ansichten einer Geisterstadt" und "Angelique oder die
Verzauberung". Seine Drehbücher zu "Letztes Jahr in Marienbad",
"Trans-Europa-Express" und "La belle captive" (etwa: Die
schöne Gefangene) tragen dasselbe Gütezeichen.

Nach seinem mehr als 20-jährigen Schweigen als Romancier
griff Robbe-Grillet wieder zur Feder und veröffentlichte 2001 den Agentenroman
"Die Wiederholung", der auch nach zwei Jahrzehnten noch alle
Ingredienzien seines literarischen Universums vereint: wilde Phantasmen und
eine komplexe Erzählstruktur. "Spannend und degoutant" wie die
deutsche Presse urteilte. (DPA)

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