«Verschleppt und verarscht»
admin | Posted 12/09/2007 | Preise und Events | Keine Kommentare »
Zur Lage der Schweizer Buchhandels-Landschaft – Ein Kommentar als Gastbeitrag von Carlo Bernasconi, Chefredaktor vom "Schweizer Buchhandel".
Keine Frage, die Zukunft des Schweizer Buchhandel wird in Bern verhandelt – und auch verspielt: Das Preisbindungsgesetz ist seit vergangenem Dienstag in weite Ferne gerückt – jedenfalls ist nicht mehr in diesem Jahrzehnt damit zu rechnen, wenn überhaupt. Die Wettbewerbskommission (Weko) hat in einer verbissen geführten Schlacht den Sammelrevers gekippt. Die Schweizer Politik mag die Buchhändlerinnen und Buchhändler nicht so sehr. Das stimmt nicht. Weit schlimmer: Es ist ihnen egal, was aus dieser Branche wird. Das stimmt auch nicht ganz. Aber die Politik biegt mit schöner Regelmässigkeit die Untersuchungsergebnisse über die Branche so um, dass sie auch Kulturämtern, Bonjour Monsieur Jauslin, in den neoliberalen Kram passen. In Europa kann man über solche Ignoranz nur noch den Kopf schütteln. In der Schweiz kann, wer will, am 21. Oktober diese Politiker abwählen.
Die Branche tritt in der Schweiz, nicht wie in Deutschland, eher im Flüsterton aufs politische Parkett. Verbündete hat sie wohl, da und dort – und sie hat auch Politiker, die gerne Bücher schreiben und publizieren. Aber sie hat es bis vor wenigen Jahren versäumt, eine starke politische Lobby aufzubauen. Buchhändler gehen auf leisen Sohlen. Das stimmt auch nicht ganz. Es gibt eine BuchLobby Schweiz, es gibt einen Schweizer Buchrat. Nur sind diese Gremien nicht so einfach zu manövrieren. Für eine kohärente Buchhandelspolitik braucht es Konsens – über drei Sprachen hinweg. Und zudem spielen die Branchenusancen dreier Länder mit: Frankreich, Italien, Deutschland. Alle drei Märkte sind unterschiedlich strukturiert – seit Jahrzehnten. Nur: Diese Differenzen sind in zahlreichen Gesprächen ausgeräumt worden. Dafür sprach das am 23. April in Bern gemeinschaftlich und von den Branchenverbänden aller drei Landessprachen einstimmig gut geheissene und den Medien präsentierte Bandbreitenmodell.
Freilich, die solide Arbeit dieser Gremien wird erst mal links liegen gelassen – als gäbe es keinen Konsens für ein Preisbindungsgesetz. Die Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats will erst mal untersuchen lassen, ob es denn allenfalls negative Auswirkungen gäbe, beliesse man alles, wie es jetzt ist: Freie Preise für freie KonsumentInnen. Schön und gut. Pricing ist Bestandteil jeder Unternehmung, die etwas von Marketing versteht. Und was macht eine gut geführte Unternehmung: Sie erhöht die Preise. Logisch, denn das Kulturgut Buch wird seit Jahren unter Wert verkauft. Mit anderen Worten: Was die Weko angestrebt hat, das freie Spiel des Marktes, bezahlt am Ende der Konsument. Das ist beste neoliberale Logik. Wettbewerb soll ja dazu führen, dass Preise purzeln, weil mehr Anbieter in der Preisgestaltung frei sind und um Marktanteile ringen. Richtig, so stehts in jedem Lehrbuch.
Aber damit hat die Politik nicht gerechnet, zuletzt Bundesrätin Doris Leuthard: Dass die Buchhändler – und jetzt reden wir von den kleinen und mittleren Sortimentern – der Weko den Stinkefinger gezeigt haben und die Preise von den deutschen Verlagen übernehmen, sie von den Auslieferungen umrechnen lassen und dann zum festgelegten Preis weiter verkaufen – ohne jegliche Absprache, aus vernunftgetriebenem Handeln. Das macht ja auch Sinn, schliesslich ist das Marketinginstrument Preis beim täglichen Umgang mit über 20 000 Artikeln nicht individuell einsetzbar. So ist es: Die Weko, die sich bei allen anderen Geschäften als zahnloser Papiertiger erweist (Fusion von Migros und Denner oder von Tamedia und Espace Media Groupe, als jüngste Beispiele), guckt in die Röhre.
Alles beim alten? Nicht mehr. Das Buchzentrum hat kürzlich an einem Seminar vorgeführt, wie heikel der Umgang mit Preisen sein kann – vor allem, wenn man sie nach unten korrigiert. Weil der Umsatzverlust in Franken nicht so schnell kompensiert werden kann. Da haben an die 50 Buchhändlerinnen und Buchhändler gut aufgepasst. In der Konsequenz gibt es nur einen Weg: Rauf mit den Preisen – und ein bisschen runter, wo man es individuell vertreten kann.
Fazit I: Es ginge auch ohne Preisbindung, es ginge sogar ein wenig besser, wenn man clever genug ist und den Markt und seine Mitbewerber beobachtet. Und die Schattenseite? Die Zeit, die für dieses Monitoring verloren geht, fehlt der Beratung, fehlt dem eigentlichen Tun des Buchhändlers: Auswählen, empfehlen, anbieten, verkaufen.
Fazit II: Der Branche braucht ein ordnungspolitisches Instrument wie es ein Preisbindungsgesetz verspricht. Weil es dem Buchhändler an der Schnittstelle von Kultur und Kommerz die Gewissheit gewährt, dass es sich am Ende auch finanziell lohnt, für das Kulturgut Buch einzusetzen. Damit ist eine gesellschaftspolitische Relevanz des Berufs angesprochen, die immer noch zu wenig Beachtung findet. Buchhändler leisten für die kulturelle Bereicherung einer Gesellschaft ebenso viel wie jeder Theater- oder Museumsdirektor.
Carlo Bernasconi, Schweizer Buchhandel