Ritter der Aufklärung

admin | Posted 24/09/2007 | Biografien | Keine Kommentare »

Rudolf Augstein: Aufklärer für DeutschlandFoto: Monika Zucht / Der Spiegel


Peter Merseburger legt eine erste Biographie des deutschen Vorzeigejournalisten Rudolf Augstein vor – und wird für Diskussionen sorgen.



Links und national, streitbar und verletzlich, autoritär und anlehnungsbedürftig – "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein, 2002 gestorben, wird von nicht wenigen als einer der einflussreichsten Journalisten der deutschen Nachkriegszeit bezeichnet. Und als Vorreiter eines freien Denkens, dem sich die Deutschen zwischen 1933 und 1945 freiwillig verweigert hatten.



Alt-Kanzler und Ethik-Forscher Helmut Schmidt meint gar: "Die tatsächliche Meinungsfreiheit in unserem Land verdankt ihre heutige Vitalität, das ist meine feste Überzeugung, zu einem unverzichtbaren Anteil dem Mut und dem Vorbild Rudolf Augsteins." Starke Worte. Ein Ritter der Aufklärung für Deutschland, mehr als 150 Jahre nach Kant und Rousseau. Die frisch erschienene Biographie kann dieses Diktum bestätigen. Sie wirft aber auch ein Licht auf die Schattenseiten des Vorzeigejournalisten.



Der verdiente Publizist Peter Merseburger (von 1960 bis 1965 selbst "Spiegel"-Redakteur) hat schon brillante Biographien über Willy Brandt und Kurt Schumacher veröffentlicht. Jetzt legt der 79-Jährige eine erste Lebensgeschichte des gebürtigen Hannoveraners vor. Sie ist vorzüglich. Vorzüglich geschrieben. Denn sie betet nicht an, sondern beleuchtet äußerst kritisch das Wirken dieses widersprüchlichen Mannes.

Augstein, dem im April 1945 das Eiserne Kreuz verliehen worden war, beschäftigte nach Gründung des "Spiegel" 1947 mehrere frühere SS-Offiziere als Redakteure und Ressortleiter. Als die "Spiegel-Affaire" 1962 das Blatt in Existenznöte und das Land ins Wanken brachte, ließ er sich von Carl Schmitt rechtlich beraten; der war während der NS-Zeit einer der berühmtesten Juristen Deutschlands.





Aber Augstein war auch einer der glühendsten Verfechter der deutschen Wiedervereinigung – im Gegensatz zu seinem Chefredakteur Erich Böhme, der "nicht wiedervereint"



werden wollte. In einem seiner letzten Kommentare bedankte er sich sogar ausdrücklich beim damaligen Kanzler Helmut Kohl, einem seiner Lieblingsfeinde. Ein Mann mit Prinzipien und doch mit fragwürdiger Moral. Merseburger ist eine fabelhafte Biographie gelungen, die für Aufsehen sorgen wird. Ob’s für einen neuen Skandal Grassscher Ausmaße reicht, wird sich zeigen. Der Spiegel könnte was enthüllen. Wird er’s tun?






Peter Merseburger: Rudolf Augstein, DVA, 576 Seiten, 29,95

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