Aus der bösen Provinz

admin | Posted 16/10/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »

Ludwig Bemelmans

Ein nach 60 Jahren wieder entdeckter Roman über Idylle, Bösartigkeit und Nationalsozialismus.

Dass Ludwig Bemelmans (1898-1962) in Deutschland ein Unbekannter bis heute geblieben ist, das ist verwunderlich.

Und doch wiederum nicht, ist dies angesichts seiner Biographie doch durchaus verständlich und auch nachvollziehbar.

Mit 16 Jahren wanderte der gebürtige Regensburger nach Amerika aus – Mutter und Onkel hatten den vaterlos aufwachsenden miserablen Schüler nach einer im Eklat scheiternden Hotellehre vor die Wahl Amerika oder Handelsmarine gestellt. Dort schlug sich er lange als Hotelangestellter durch, bis 1934 in New York sein erstes Kinderbuch erschien. Doch der literarische Durchbruch gelang ihm erst 1939 mit seinem fünften Buch,
Madeline
, das zu seinem größten Erfolg wurde. Er arbeitete von nun an für so namhafte Magazine wie
Vogue
und
Town and Country
und lieferte Titelbilder für den
New Yorker
. Seither verkehrte er, mittlerweile ein angesehener Bestsellerautor, mit zahllosen Prominenten aus Politik und High Society.

Und doch vergaß er seine Heimatstadt Regensburg nie. Er schilderte sie auf sehr eindrückliche Art, in einer Kreuzung aus George Grosz und Marc Chagall, in seinem ausgerechnet im April 1945 erschienenen Roman “The Blue Danube”, der nun erstmals liebevoll und sorgfältig von Florian Sendtner ins Deutsche übersetzt worden ist.

Darin schildert Bemelmans, der seit 1916 US-amerikanischer Staatsbürger war, das Naziregime in der oberpfälzischen Stadt im Jahr 1944. Und zwar in einer sehr eindrücklichen, lesenswerten und auch komischen Mischung aus bitterbösen Karikaturen und leicht hingetupften, lakonischen, berührenden, auch skurrilen Porträts einiger Menschen am Rande, auf einer kleinen Donaurettichinsel, die sich der Mischung aus Dumpfheit, Brutalität, Eigennutz, Opportunismus und bürokratischem Zynismus widersetzen.

Bemelmans hatte Regensburg bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs des öfteren besucht und war selbst wegen Beleidigung eines Nazibonzen kurz verhaftet und nur mittels Intervention des US-amerikanischen Generalkonsuls wieder frei gelassen worden.

Aus der Außenperspektive entsteht bei ihm ein Röntgenbild einer Zeit, einer Stadt, einer scheinbaren, weil blutigen Idylle und einiger ihrer Menschen, die nach Freiheit streben und doch im Terror untergehen. Eine schöne, eine lohnende, eine lesenswerte Wiederentdeckung.



Das Buch:


Ludwig Bemelmans: An der schönen blauen Donau. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Florian Sendtner sowie mit einem Vorwort von Eva Demski. Insel Verlag, 2007

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