Memoiren ohne Wodka

admin | Posted 24/10/2007 | Biografien | Keine Kommentare »

Joschka Fischer: "Warum, so fragte ich . . ."Foto: Jim Rakete / Kiwi

Er war immer der beliebteste. Jetzt erinnert sich Joschka Fischer an den ersten Teil seiner Zeit als Außenminister – und lässt ein wenig gähnen.



"Nachdenklich und deprimiert saß ich nach dem Telefonat in meiner Wohnung. An Schlaf war nicht zu denken. Warum, so fragte ich mich, musste ausgerechnet die erste Bundesregierung, die von der politischen Linken gebildet worden war, mit Deutschland wieder in den Krieg ziehen?"



Diese Gedanken gehen dem Außenminister Joschka Fischer durch den Kopf, nachdem er 1998 ein Telefongespräch mit seiner amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright geführt hatte. Armer Joschka. Aber nun ja, nie wieder Krieg ist ja schön und gut, aber nie wieder Auschwitz geht auch. Ist vielleicht sogar besser, aber dann muss man damit rechnen, von gewissensfesten Parteigenossen mit Farbbeuteln beworfen zu werden. Die machen halt kaputt, was sie kaputt macht.



"Die rot-grünen Jahre" sind der erste Teil Fischers Erinnerungen an seine Zeit als Außenminister. Sie decken die Zeit "vom Kosovo" bis zum Terroranschlag des 11. September ab, also 1998 bis 2001: Ein sogleich angekündigter zweiter Band war zunächst nicht geplant, soll aber in Zukunft erscheinen, da Fischer das gewaltige Konvolut seiner Amtserinnerungen nicht habe einschätzen können.



Hoffentlich wird der ein bisschen flotter geschrieben. Außer etwas Gestöhne über Trittin und desgleichen offenbart Fischer nichts Intimes, lässt es also an genau dem fehlen, was Erinnerungen von Politikern trägt. Denn was einen an Politiker-Memoiren wirklich interessiert ist ja das, was man in der Tagesschau nicht sieht. Das Tacheles-Reden, die Charakterisierung derjenigen, mit der das Geschäft zu betreiben ist, die Kunst, Entscheidungen herbeizuführen und Gegner zu überzeugen. Jaja, Adenauers Wodka-Wettsaufen mir Chrutschow, das sind Situationen, in denen Politik gemacht wird. Zumindest möchte man sich das so vorstellen. Würzige Anekdoten bleibt Fischer schuldig. Im nächsten Band will er abrechnen. Da sind wir mal gespannt.



Joschka Fischer: Die rot-grünen Jahre, Kiepenheuer & Witsch, 450 Seiten, 22,90

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