Völkerverständigung in gedruckter Form zwischen der Schweiz und Österreich

admin | Posted 24/10/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »

Der Anstoß für die Zusammenstellung der vorliegenden Anthologie liegt in der Erfahrung, dass zwischen Österreich und der Schweiz ein geringer Austausch passiert.


Durch das Nebeneinander
, wie in einem grossen Miethaus zu mit vielen Parteien, findet selten ein Aufeinander treffen statt. Man lässt sich gegenseitig gewähren, ohne recht Notiz zu nehmen. Die vordergründigen Ähnlichkeiten etwa der alpinen Landschaft, Kleinstaatlichkeit und Neutralität verleiten weniger zu einer Neugierde auf den Nachbarn, sonden zu einer beruhigenden Gemeinsamkeit, die das Interesse mindert. Erst beim zweiten freien Blick fallen Unterschiede auf, die kleinen Dinge und Eigenarten, die eine Differenz und damit einen Reiz ausmachen: Die Verschiedenheit eines Dialekts der viel mehr gepflegt wird und Eingang findet in Fernsehen und Radio; in den Postämtern ziehen die Kunden seit einiger Zeit Nummern und warten geduldig in der Schalterhalle; Bei der Zustellung von Postsendungen orientiert sich der Briefträger nach Namen, da es keine Wohnungstürnummern gibt; Der Ausdruck Mezzanin führt bei Touristen gelegentlich zu der Frage, ob das ein geläufiger Familienname sei; in einer der grössten Supermarktketten gibt es keine alkoholischen Getränke;… eine Ungeheure Vielzahl an Tageszeitungen bereichert demokratische Prozesse, schon Thomas Bernhards Protagonist in Wittgensteins Neffe weiß: Dass ein Geistesmensch ohne die Neue Züricher Zeitung nicht existieren kann.


Wird den Österreichinnen
und Österreichern eine operettenhafte und gemütliche Art zugeschrieben, bescheinigt man den Nachbarinnen und Nachbarn eine besondere Art des Demokratieverständnisses, die mitunter zu überlangen Diskussionen führen kann, manche sagen zu Schwerfälligkeit.
Beide schleppen die ihnen zugedachten Rucksäcke voller Klischees (Schokolade, Banken, Uhren, Walzer, Lipizzaner, Mozart) mit sich.
Erst der Blick hinter die Kuliissen eröffnet eine feine Palette der Nuancen. In diesem Auffinden der Andersartigkeitkeiten ergibt sich ein Spiegel, der die Eigenarten neu reflektiert.


Mit Texten von:
Friedrich Achleitner, Jürg Amann, Friedrich Dürrenmatt, Katharina Faber, Antonio Fian, Ingrid Fichtner, Franzobel, Walter Grond, Margit Hahn, Bodo Hell, Gerhard Jaschke, Doris Knecht, Markus Köhle, Jürg Laederach, Pedro Lenz, Klaus Merz, Richard Reich, Gerhard Ruiss, Hansjörg Schertenleib, Christoph Simon, Sylvia Treudl, Elisabeth Wandeler-Deck, Klaus Zeyringer


Wer liesse sich williger
in die Fallen des Vergleichs locken als die Österreicher und die Schweizer? Man ist einander ähnlich genug, um nahezu nichts voneinander zu wissen. Wenn jetzt eine Anthologie mit dem Titel «A – CH. Nachbarschaftliche Betrachtungen» erscheint, dann ist dieses Werk also auch deshalb schon zu begrüssen, weil jede Möglichkeit, mehr über den Nachbarn zu erfahren, nur hilfreich sein kann. In einer Zeit, in der man sich «von Kolossalschinken beeindrucken lässt», seien «Miniaturbilder» wie die Schweiz und Österreich von geradezu konterkarierender Kraft, hat Friedrich Dürrenmatt schon vor Jahrzehnten betont. An zwei Miniaturbildern arbeiten im Buch so illustre Autoren wie Jürg Laederach, Franzobel, Friedrich Achleitner, Bodo Hell, Klaus Merz oder Antonio Fian. Manche der Texte zählen bereits zu den ironischen Klassikern nachbarschaftlicher Betrachtungen, andere überraschen in ihrer poetischen Genauigkeit, wie etwa Elisabeth Wandeler-Decks Beitrag «Wenn Sprachbrille, dann gefärbte Gläser». «A – CH» ist trotz dem lapidaren Titel eine tiefsinnige Anthologie, die mit grossem ästhetischem Variantenreichtum um eine Wahrheit bilateraler Beziehungen kreist: Die schönste Fremde ist doch die Nähe.


Neue Zürcher Zeitung


Das Buch:

Michael Stiller
A – CH Nachbarschaftliche Betrachtungen
Anthologie
Bibliothek der Provinz
ISBN 978-3-85252-843-4

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