Wein.Genuss
admin | Posted 20/10/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Wein ist “Leidenschaft, Religion, Metamorphose”
Wein. Wein-Kunst. Weinpanscherei.
Wein ist buchstäblich in aller Munde, aber sein Verkauf vielerorts zu Folklore abgesunken. Weindegustationen müssen heute “Event-Charakter” haben.
Doch von solchen Spektakeln ist in Mario Scheuermanns “Wein und Zeit. Von der Kultur des Genießens” keine Rede. Glücklicherweise. Der in Hamburg und Spanien lebende Journalist und anerkannte Kenner, Autor von “Die großen Weine des Jahrhunderts”, präsentiert in neun Kurzgeschichten vieles über: Wein und Philosophie, Wein und Kunst, Wein und Genuss, Wein und Literatur.
Und dies klug. Informativ. Unterhaltsam. Und, ja auch dies, süffig.
Der Untertitel des Buches ist bereits Programm. Da geht es etwa um die Geschichte des Château d’Yquem im französischen Sauternes, wo Weine kometenhaft aufsteigen, Verkostungen zu Legenden mutieren und “Wein und Zeit” tatsächlich eins werden.
Bei den Spekulationen darüber, welche Weine wir in der Zukunft trinken werden, besser: müssen, wird einem angst und bange. Schon jetzt stehen unzählige “Schlechtweine”, globale Weinseen, Retortenflüssigkeiten, Panschereien auf der Tagesordnung. Diese als “Wein” zu bezeichnen, ist nur noch eine Farce.
Gleichzeitig aber ist mit Erleichterung zu hören, dass auch künftig gute und große Weine erzeugt werden – in den traditionellen, europäischen Weinregionen wie in Australien, Chile, Neuseeland oder Südafrika. Etwa auf dem Weingut Mont du Toît. Scheuermann zufolge wird dort, in der Region Wellington östlich von Paarl, in den ersten gemauerten Gewölbekellern Südafrikas, ein Rotwein kreiert, “der ein wenig an Südfrankreich: Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Syrah, Mourvèdre, Malbec und Alicante Bouché” erinnert.
Wein ist “Leidenschaft, Religion, Metamorphose” (Scheuermann).
Wie erkennt man aber guten Wein? Und wie beschreibt man, was ein genussvoller Wein ist? Und vor allem: Wer bestimmt das? Mario Scheuermann dazu: “Maßstäbe gehen verloren, Sprache wandelt sich in Silbensalat, Kritiker werden zu Vortänzern, Köche zu Schaumschlägern und Weinbauern zu flying winemakers”. Dass diese Kritik Tradition hat, zeigt er in einem historischen Exkurs auf.
Das Faszinierende an Mario Scheuermanns Weingeschichten ist, dass er ungewöhnliche und ungewohnte Zusammenhänge herstellt. Seine Bekenntnisse, Wertungen und Aussprüche von Menschen unterschiedlichster Epochen haben eines gemeinsam: In vino veritas. Ein Winzer, der kein Weinlieferant sein will, sondern ein Schöpfer, muss heute “den Ausgleich … finden zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Bewahren und Entwickeln, zwischen den realen Konditionen und den Sphären der Metaphysik”, schreibt er.
Ein schöner Cicerone in die faszinierende Welt des Weins. Zudem ergänzt durch informative Anmerkungen, ein Personenregister von Weinkennern und -liebhabern aus verschiedenen Epochen und, besonders anregend, eine Literaturauswahl als “kleiner dionysischer Handbibliothek”.
Das Buch:
Mario Scheuermann: Wein und Zeit. Von der Kultur des Genießens. Hampp Verlag, 2007