Zwischen Königsdrama und Kasperletheater

admin | Posted 16/10/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

Simon Borowiak: Titanic färbt abFoto: Fabian Bimmer

Simon Borowiak entlarvt in seinem neuen Buch bürgerliche Scheinwelten. Ein Kammerspiel zwischen Krimi und Psychodrama.



Ein kurzer Skiurlaub in den Bergen, verbracht von einer kleinen, mehr oder minder miteinander liierten Gesellschaft - eine eigentlich unverfängliche Angelegenheit, sollte man meinen. Vielleicht sogar schon banal. Aber weit gefehlt, wenn der Autor dieses düsteren Kammerspiels Simon Borowiak heißt.




Das Klientel lässt bereits auf feine Unterhaltung hoffen: Der frisch aus der Geschlossenen entlassene Ich-Erzähler wird von seinem alten Klinik-Freund Cromwell zu einem Trip in die Berge überredet. Mit von der Partie sind dessen neue Freundin Alexandra, ihre Cousine Susi und deren Gatte, der auf Paartherapie spezialisierte Psychologe Wido.




Und die Konstellation der Reisegruppe hält, was sie verspricht. Die beiden durchtherapierten Freunde lassen ihren schonungs- und gnadenlosen Blick schweifen. Vor allem der Erzähler beschränkt sich nicht auf den Ritt durch die eigene Psyche, sondern macht sich à la Sherlock Holmes über die sorgsam kaschierten Abgründe der anderen her. Als schließlich noch Heike dazu stößt, frisch getrennt von Widos Freund und Mentor Gregor, kommt eine unselige Dynamik in die Urlaubsgesellschaft.



Es entspinnt sich ein Beziehungsdrama mit allem was dazu gehört, ein "echtes Königsdrama (…) mit einem sehr hohen Anteil an Kasperle" wie der schamlos voyeuristische Erzähler freudig feststellt. Doch das bisweilen lustvolle wie auch schmerzhafte Treiben findet ein jähes Ende, als es ein Opfer zu beklagen gibt.



Sieben Jahre Redakteur beim Satiremagazin Titanic war der heute 43-jährige Borowiak. Das färbt ab. So ist auch "Wer. Wem. Wen. Eine Sommerbeichte" eine ätzende Analyse bigotter Scheinwelten, die für die Protagonisten indes zur Realität gereichen. Gnadenlos beschreibt Borowiak den Verfall dieser bürgerlichen Kulisse – bis der Vorhang fällt. Ein beklemmendes Buch. Autorenkollege Frank Schulz findet dafür nur wenige, aber überzeugende Worte: "Ein starkes Stück Prosa das, gratuliere. Bester Borowiak-Stil."



Simon Borowiak: Wer. Wem. Wen. Eine Sommerbeichte, Eichborn, 192 Seiten, 14,95

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