Der erste Schuss, die letzte Leiche
admin | Posted 10/11/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Wie lebt es sich weiter nach dem ersten
Schusswaffen-Einsatz? Wie fühlt es sich an, wenn man den Angehörigen eines
Opfers zum ersten Mal eine Todesnachricht überbringen muss? Fragen wie diese gehören
zum Alltag tausender Polizisten. 18 Beamte aus Deutschland haben ihre
Erfahrungen mit Gewalterlebnissen, blutigen Verbrechen und anderen beruflichen
Extremsituationen zu einem Hörbuch verarbeitet.
Eines haben die Berichte der "Bürger in Uniform"
gemeinsam: Sie handeln allesamt von Fällen, die den Beamten besonders an die
Nieren gingen. Da ist der Polizist, der bei einem heiklen Einsatz selbst in die
Schusslinie geriet, im Krankenhaus aufwacht und weiß, dass sein kriminelles
Gegenüber nie mehr aufwachen wird. Da ist der Beamte, der über Monate ein
freundschaftliches Verhältnis zu einem Asylbewerber aufgebaut hatte und sich
nach dessen Abschiebung fragt, ob die Welt in Deutschland wirklich "zu
Gast bei Freunden" ist. Und da ist die Fassungslosigkeit nach sinnlosen
Selbstmorden.
"Aus der Seele gesprochen" lautet daher der Titel
der Doppel-CD, den die Stiftung Polizeiseelsorge kürzlich in Düsseldorf
vorstellte. Der Name des digitalen Erzählarchivs ist Programm: Anhand
erschütternder Schlüsselerlebnisse schildern die Polizistinnen und Polizisten
die psychischen Belastungen ihrer täglichen Arbeit – mal in nüchtern-lakonischem,
mal in aufwühlend-emotionalem Tonfall.
Die bewegende Sammlung vertonter Kurzgeschichten basiert auf
den Büchern "Die erste Leiche vergisst man nicht" und "Jeden Tag
den Tod vor Augen", 2005 und 2006 im Piper Verlag erschienen. Für die
Produktion des Hörbuchs sprachen die Schauspielerin Tirzah Haase und der
langjährige WDR-Polizeireporter Jürgen Hoppe die teils schockierenden, teils
nachdenklich stimmenden Geschichten ein.
Besonders verheerend wirken sich Selbstvorwürfe und
Schuldgefühle aus, wenn ein Kollege im Einsatz getötet wurde oder die Suche
nach einem Vergewaltiger über längere Zeit erfolglos bleibt. Doch trotz aller
nagenden Selbstzweifel, die die Konfrontation mit Tod und Gewalt mit sich
bringt, sind aus vielen Beiträgen auch Optimismus und Lebensmut herauszuhören.
Hier und da gerät der Hörer sogar ins Schmunzeln: Als ein randalierender Mann
an Heiligabend seine Nachbarn nervt, beruhigen ihn die Beamten kurzum mit einem
Weihnachtsgeschenk ihrer Dienststelle. Und wenn Autoschieber ihre Lebens- und
Leidensgeschichte erzählen, fällt manchem Ermittler die Festnahme schwer. (dpa)
Stiftung Polizeiseelsorge (Hg.): Aus der Seele gesprochen. Ein Hörbuch aus dem Polizeialltag.
147 Minuten, EUR 14,-