Ein krimineller Roman
admin | Posted 08/11/2007 | Autoren | Keine Kommentare »
Juli Zeh schickt in ihrem dritten Roman
"Schilf" einen todkranken Kommissar auf die Suche nach einem Mörder.
Er kommt schnell auf dessen Spur, entwickelt aber weniger Interesse daran, ihn
zu überführen, als ihn vor den Ermittlungen der Kollegen zu schützen.
Schließlich ist der Verdächtige ein Physikprofessor, der die Welt so erklären
kann, wie Kommissar Schilf sie versteht.
Warum steht nicht "Kriminalroman" auf dem Cover?
Ich hatte als Arbeitstitel "ein krimineller Roman"
vorgeschlagen, aber das fand der Verlag dann nicht gut. Ich denke, das Buch
wird in erster Linie auch nicht von Krimifans gelesen. Die wären vielleicht
sogar enttäuscht.
Ist "Schilf" denn ein Kriminalroman?
Beim Schreiben hatte ich das Gefühl, zwischen den Gattungen
zu stehen. Einige der Figuren wie Kommissar Schilf und auch die Art, wie sie
gezeichnet sind, entspringen schon dem Krimi-Genre. Andererseits ist er kein
typischer Ermittler, der normalerweise eine Ursache-Wirkungs-Kette rückwärts
geht. Das macht Schilf nicht. Und was den Roman noch von einem Krimi
unterscheidet, ist, dass sich nicht alles auf einen Plot fokussiert.
Haben Sie als Vorbereitung Krimis gelesen?
Ich habe eine Zeitlang viele Krimis gelesen, aber dann
irgendwann damit aufgehört. Während ich "Schilf" geschrieben habe,
habe ich keinen angefasst. Es ging mir auch nicht darum, einen mega-raffinierten
Superthriller zu schreiben. Ich habe zwischendurch aber einige Sachen von
Dürrenmatt gelesen, "Die Physiker" und "Der Richter und sein
Henker" zum Beispiel.
Woher kommt Ihr Interesse an theoretischer Physik?
Es gibt zwei Dauerthemen, die mich schon lange beschäftigen:
Das eine ist die Frage, wie Moral entsteht. Das andere ist ein
erkenntnistheoretisches Problem und dreht sich um die Frage, was Realität ist.
Mit dem zweiten beschäftigt sich auch die theoretische Physik.
Teilen Sie die Vorstellung, dass es viele parallele Welten
gibt?
Nein, für mich persönlich hat die Viele-Welten-Theorie keine
Bedeutung. Ich halte das nicht für real. Das Modell hat mit unserem Makrokosmos
wahrscheinlich auch gar nichts zu tun. Aber es ist eine interessante
Vorstellung, dass Dinge gleichzeitig passieren und nicht passieren könnten.
Ist die Physik nur ein Nebenthema?
Für mich ist "Schilf" vor allem die Geschichte
einer Männerfreundschaft mit Tendenz zur Männerliebe und die Konflikte, die
daraus entstehen. Sebastian entscheidet sich für die bürgerliche Kleinfamilie
und gegen die Physikerkarriere, und Oskar akzeptiert das nicht. Die Triebfeder
für den Roman war, diese Beziehung zu beschreiben. Und dann war da der
spielerische Wunsch, etwas zu erzählen, das passiert und gleichzeitig nicht
passiert. Ich lag im Bett und hatte diese Ausgangsidee, jemanden entführen zu
lassen, der gar nicht entführt wird.
(Interview:
Andreas Heimann, dpa)
Juli Zeh
Schilf
Schöffling
& Co., 380 S.