Komm, wir gehen jetzt Mythen suchen

admin | Posted 02/11/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

Nick Tosches: auf der Suche nach dem letzten MythosFoto: Liebeskind

Ein schmaler Band versammelt seltene Texte des US-Popjournalisten Nick Tosches.

"Nehmen Sie Drogen?"

"Niemals. Ich trinke Champagner."

"Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie bei Mick Jaggers Geburtstagsparty im St. Regis für Truman Capote, Andy Warhol und Bob Dylan gespielt haben?"

Ich fühle mich immer gleich, egal wo oder für wen ich spiele. Ich gehe einfach raus und mach mein Ding."

Als der amerikanische Pop-Autor Nick Tosches den überlebensgroßen amerikanischen Blues-Mann Muddy Waters 1972 gemeinsam mit Kollegen des französischen Lidestyle-Magazins "Oui" in dessen Hotelzimmer zu einem Interview trifft, gibt sich Waters so unbeeindruckt wie immer. Fragen nach seinen Drogengewohnheiten oder der Oberweite einer kürzlich beschauten Stripperin scheinen ihn ebenso wenig zu interessieren wie die Fragesteller seine Antworten. Selten ist ein Interview uninspirierter geführt worden.

Und doch. Waters’ Indifferenz, das ist die Leistung von Tosches, spiegelt die Erhabenheit eines Mannes, der weiß, das er der Welt nichts mehr beweisen muss. Jemand, der mit einem seiner größten Songs für die Namensgebung einer Band wie den Rolling Stones verantwortlich zeichnet, enthebt sich der Weltlichkeit. Muddy Waters zumindest scheint das so zu sehen. Seine Botschaft: Ich bin Musiker. Ich mache Musik, um die Leute zu unterhalten. That’s it.

Die Sammlung von Essays, Interviews und Reportagen von Nick Tosches ist ein Musterbeispiel für den sogenannten Gonzo-Journalismus, der in den 1960er Jahren von Hunter S. Thompson in die Welt geworfen wurde, um dem Leser Subjektivität zu vermitteln, ihn von den Zügeln einer oktruierten Objektivität zu befreien, die nach seiner Ansicht ohne hin nie bestanden hat. Tosches bedient sich dieses Konzepts. Seine Stücke über den Schauspieler Robert De Niro, die geheime Verwandschaft des Underground-Literaten William S. Burroughs mit dem Spionagefürst Edgar J. Hoover oder die seltsame Mythisierung Elvis Presleys zählen zu den Glanzstücken dieser journalistischen Spielart.

Es ist eine Lust, sich dem 58-Jährigen anzuschließen, um mit ihm noch ein paar andere amerikanische Mythen aufzustöbern. Denn die sind es ja, die ein Land mit junger Geschichte braucht, um sich wohl und groß zu fühlen. Das zeigt Tosches bei dieser intelligenten Spurensuche auch. Ein vergnügen für jeden, der sich an amerikanischer Kultur erfreut.

Nick Tosches: Muddy Waters isst selten Fisch, Liebeskind, 203 Seiten, 18,90

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