Saurer Tropfen
admin | Posted 07/11/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Eine frühere Mitarbeiterin des weltbekannten Weinkritikers Robert Parker hat ein Enthüllungsbuch geschrieben. Ihr Vorwurf: Seine Weinempfehlungen sind nicht unabhängig.
Der Amerikaner Robert M. Parker, 60 Jahre alt und von Haus aus Jurist, ist einer der einflussreichsten Weinexperten der Welt. Sein Urteil und seine Veröffentlichungen entscheiden maßgeblich über den kommerziellen Erfolg von Bordeaux-Weinen.
Nun erhebt die Französin Hanna Agostini Parker, einst enge Mitarbeiterin Parkers, schwere Vorwürfe. Von 1995 bis 2003 arbeitete sie als Assistentin für ihn, hat Weinverkostungen organisiert und seine Kolumnen übersetzt.
In dem vor 14 Tagen in Frankreich veröffentlichten Buch “Robert Parker – Anatomie d’un mythe” (Verlag Scali) behauptet sie, dass “die Verkostungen nicht etwa von unabhängigen Experten oder bezahlten Mitarbeitern vorbereitet” würden, sondern von Großhändlern, die von einem Parker-Urteil profitieren. Sie schreibt außerdem, dass Parker beispielsweise einen Chateau Quinault hoch bewertet habe, nachdem er mit dem Produzenten ein paar Wochen zuvor ausgiebig gemeinsam gespeist habe.
Zudem habe Parker viele der von ihm bewerteten Weine gar nicht selbst verkostet. So stufte er in seinem Weinführer für Bordeaux-Weine 2005 den Domaine de Jaugaret als “bemerkenswert” ein. In einem Schriftwechsel mit Agostini habe er jedoch eingeräumt: “Ich kenne diesen Wein nicht.” Der Weinkritiker wiederhole zudem Empfehlungen für Weine Jahr für Jahr, ohne sie erneut zu prüfen.
Inzwischen haben sich einige Fürsprecher für Parker zur Wort gemeldet, etwa der Hamburger Weinexperte Mario Scheuermann. So sei Parker nicht, wie von Agostini behauptet, lediglich sieben Tage pro Jahr in Frankreich unterwegs. “Wenn Hanna Agostini das tatsächlich so geschrieben haben sollte, dann sagt sie wider besseres Wissen die Unwahrheit; denn sie selbst hat Reisen organisiert, die viel länger waren”, so Scheuermann in seinem Weinblog.
Der in Berlin lebende englische Weinexperte Stuart Pigott wiederum hat die Parker-Kritikerin Agostini 1993 in Bremen als erfolgreiche “trouble shooter” kennen gelernt. Er hält aber viele ihrer Anschuldigungen für übertrieben. “Parker hat früher wohl aus arbeitstechnischen Gründen schlechte Kompromisse gemacht”, kritisiert Pigott etwa den Einsatz von Helfern, die direkt von Parkers Urteil abhängig sind. Diese Verfahrensweise habe Parker seines Wissens in den vergangenen Jahren geändert, die Auswahl der zu verkostenden Weine läge nun wohl in den Händen bezahlter Mitarbeiter.
“Wenn man seine Seriosität so an die große Glocke hängt, muss man besonders aufpassen und besonders gewissenhaft arbeiten”, so Pigott. Für ihn selber würde es nur einen Grundsatz geben: ausschließlich über Weine schreiben, die er selbst auch getrunken hat.
Die Bücher:
Robert M. Parker: Parker Bordeaux. Verlag Gräfe und Unzer, 3. überarb., aktual. Aufl. 2004.
Stuart Pigott: Stuart Pigotts kleiner genialer Weinführer 2008. Scherz Verlag, 2007 (ISBN:
978-3-502-15094-7
)