Der Selbstherrliche
admin | Posted 31/12/2007 | Biografien | Keine Kommentare »
Das deutsche Desaster des 20. Jahrhunderts hat einen Geburtshelfer: Paul von Hindenburg.
Wie groß Hindenburgs Anteil am Aufstieg Adolf Hitlers war, ist noch nie so eindeutig dargestellt worden wie in Wolfram Pytas Biographie des störrischen Preußen.
Gerade in den Jahren 1928 bis 1930, ja selbst noch 1933 schien es, als könne sich die Weimarer Republik etablieren – gegen alle völkische nationalen, faschistischen und kommunistischen Unterwanderungen. Unter Reichskanzler Otto Brüning und seiner geschickten, auch von den früheren Entente geschätzten Außenpolitik war Deutschland ein kleines erstes Wirtschaftswunder zuteil geworden. Die letzten Raten, zu denen das besiegte Reich durch den Versailler Vertrag verdonnert worden war, würden bald abgestottert. Brüning hatte darüber hinaus erreicht, dass die zu zahlenden Gelder abgesenkt werden. Deutschland konnte mit relativer Zuversicht in die Zukunft schauen.
Indes litt das Land unter dem mangelnden Respekt, den ein Großteil der Bevölkerung der neuen Demokratie entgegenbrachte. Diese Skepsis, ja Verachtung gegenüber dem politischen System der Sieger, wurde von Reichspräsident Hindenburg geteilt, sogar geschürt. Unter seiner Ägide, aber mehr noch seiner aktiven Einflussnahme, war es seit 1930 nicht mehr zu einem geschäftsfähigen Parlament gekommen; Hindenburg regierte in den Tag hinein und bediente sich fleißig aus seinem Reservoir an Notverordnungen. Im Januar 1933 hielt er dem Druck, den Hitler seit einiger Zeit auf ihn ausübte, nicht mehr stand. Hindenburg, der stolze Preuße und "Held von Tannenberg", ernennt den "böhmischen Gefreiten" zum Reichskanzler.
Warum? Diese Frage quält Generationen. Er hätte den Verbrecher nicht in dieses Amt heben müssen. Wolfram Pyta klärt die Hintergründe, vor allem beleuchtet er die Person Hindenburgs. Was herauskommt, ist umso erschütternder als dass deutlich wird, in welchem Maße ein ganzes Land durch die Eitelkeit eines alten Mannes in den Abgrund stürzen konnte. Hindenburg, so heißt es an mehreren Stellen, habe stets seine Beurteilung durch die Geschichte im Auge gehabt; kein Makel sollte seine Vita beflecken. Ein selbstherrlicher Adeliger, der um seinen Ruf als "Eiserner Kanzler" besorgter war als um das Wohlergehen "seines" Landes. Ein Wankelmütiger, unfähig, ein Team zu bilden und zu führen, argwöhnisch gegenüber Katholiken wie Sozialdemokraten gleichermaßen. Nur ein Hauch von politischem Weitblick hätte genügt und Deutschland und der Welt wäre viel erspart geblieben. Niemals ist Hindenburgs Mitschuld am deutschen Dilemma deutlicher zum Ausbruck gebracht worden als in Wolfram Pytas wuchtiger Biographie.
Wolfram Pyta: Hindenberg, Siedler, 1120 Seiten, 49,95