Roland Reichen grochst auf
admin | Posted 14/01/2008 | Podcasts | Keine Kommentare »
Es gibt Bücher, die schlagen ein, wie eine Bombe. Andere schleichen auf leisen Pfoten heran und erobern sich ihren Platz auf der Literaturbühne still, aber nachhaltig. Der Erstlings-Roman “Aufgrochsen” des Spiezer Autoren Roland Reichen gehört zur zweiten Sorte. Auf Radio Lora spricht er mit Anne-Catherine Eigner über seinen Erstling und den Alltag als Autor und Assistent am Germanischen Institut der Uni Bern.
“Aufgrochsen” ist die Geschichte von Aussenseitern in einem ausserseitigen Dorf. Bub und Friedli heissen die Figuren, er nach einer unbehandelten Hirnhautentzündung geistig nur knapp mündig, sie mit einem Klumpfuss, der im rechten Winkel nach innen schaut. Das Friedli sieht aus wie eine Art Spatz, kurze, dünne Beinchen, ein kugeliger Bauch und Arme wie gestutzte Flügelchen.
Erwachsen geworden sind der Bub und das Friedli eine unselig perfekte Marriage, ein hilflos schreckliches Paar, das den eigenen Schrecken an die Kinder weitergibt. Diese starten zwar nicht behindert wie ihre Eltern, aber doch sozial schwer geschädigt in die Welt.
“Aufgrochsen” ist im ländlichen Hinterland der Schweiz angesiedelt, in der rückständigen Welt des sozialen und geistigen Subproletariats, dort wo das Leid so gross ist, dass für Mitleid kein Platz mehr bleibt.
Roland Reichen hat in einem Interview gesagt “Ich habe ein Anrecht darauf, über die Unterschicht zu schreiben”. Er erzählt die Geschichte auf grandiose Art: in der schonungslos armseligen, ungelenken Sprache der Protagonisten, einer von Mundart-Ausdrücken durchsetzten, grammatikalisch ungehobelt helvetischen Sprache.
Dabei verrät er seine Figuren jedoch keineswegs, sondern wirft einen zwar ungeschminkten aber durchaus zärtlichen Blick auf die ewigen Verlierer.
Die Kritik hat mit Begeisterung auf das 2006 im Bilgerverlag erschienene Buch reagiert.