Durchkommen und Durchmogeln
admin | Posted 08/02/2008 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Beleitend zum ARD-Vierteiler "Damals nach dem Krieg" erschien jetzt das gleichnamige Buch. Eine Untersuchung deutscher Befindlichkeit, die noch heute nachdenklich macht.
Deutschland, Sommer 1945. Trümmer, Vertriebene, Hunger, Ratlosigkeit. Und nur bei den Allerwenigsten die Ahnung eines schlechten Gewissens. Wer Brot braucht, der fragt nicht nach Moral. So lässt sich die nationale Stimmung zusammenfassen, die das Autorenduo Reichardt und Zierenberg als Ausgangspunkt ihrer lesbaren und informativen Studie macht.
Kaugummis und Lucky Strikes, schwarze GIs und mongolische Besatzer, Schwarzmarkt und Elend prägten das Bild vieler Städte. Von Hoffnung war nicht viel zu spüren; das Gefühl des Besiegtseins war in der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung vorherrschend. Die Nürnberger Prozesse waren fast allen egal; sie wurden trotz aggressiver Berichterstattung kaum wahrgenommen. Von Schuld keine Spur. "So wird die bei der Versorgung erprobte Strategie des Improvisierens kurzerhand in den Bereich des Politischen übertragen – Durchkommen und Durchmogeln wird auch zum politischen Lebensmotto", konstatieren die noch jungen Historiker das Lebensgefühl der Übriggebliebenen. Erst Bundespräsident Richard von Weizsäcker macht 1985 in einer wegweisenden Rede deutlich, dass dieses Volk nicht besiegt, sondern befreit worden ist.
Ab dem 11. Februar strahlt die ARD wöchentlich eine vierteilige Reihe zu diesem besiegten Deutschland aus, die von diesem Buch erhellend begleitet wird. Auch historisch Interessierte werden in den vielen Materialien und Zeitzeugen-Interviews noch einigen Stoff entdecken, der fast 63 Jahre nach dem Krieg noch erhebliches Kopfzerbrechen verursacht.
Sven Reichardt, Malte Zierenberg: Damals nach dem Krieg, DVA, 288 Seiten, 19,95