Dramatisch, unablässig, überraschend
admin | Posted 28/03/2008 | Autoren | Keine Kommentare »
Wo wollen wir jetzt hin? Schriftsteller nennen ihre prägenden Häfen.
“Jetzt endlich gewahrt man, nachdem man das Gewirr der Inseln durchfahren, die Stadt. Aber nicht auf einmal gewahrt man sie. Nicht wie etwa in Neapel, in Algier, in Marseille tut sich dies Häuserpanorama wie eine offene Arena mit steigenden Steinstufen einem einzigen Blick auf; Bild um Bild, Teil um Teil, Prospekt nach Prospekt blättert sich Rio de Janeiro auf wie ein Fächer, und gerade dies macht die Einfahrt so dramatisch, so unablässig überraschend.”
So lyrisch beschreibt Stefan Zweig seine erste Begegnung mit der damaligen brasilianischen Hauptstadt zur Mitte der 1920er Jahre. 22 weitere Schriftsteller schließen sich an: Hemingway preist Havanna, Henry Miller erzählt von einem durchzechten Wochenende in Le Havre, Louis-Ferdinand Céline berichtet von seiner Verzückung im Angesicht der Wolkenkratzer New Yorks.
Florian Beckerhoff, ein junger Züricher Literaturwissenschaftler, hat sich auf
literarische Spurensuche begeben und die Hafenstadt-relevanten Stellen aus den Werken der Meister aufgespürt. Dabei wird schnell deutlich, welche katalysatorische Funktion diese Schmelztiegel der Kulturen für die künstlerische Entwicklung der Autoren hatte.
Man sieht aber auch – wie im Falle von Erich Maria Remarque – dass eine Stadt wie Lissabon 1942 über Tod und Leben der Emigranten entschied. Manchen Städten hätte man gewiss andere Autoren zuordnen können. Tanger beispielsweise ist kaum jemals so eindringlich beschrieben worden wie in Jack Kerouacs “Engel, Kif und neue Länder”; Beckerhoffs Wahl fiel auf Tahar Ben Jelloun, und dessen Urteil über die marokkanische Küstenstadt ist wenig schmeichelhaft. Jeder will hier weg.
Florian
Beckerhoff:
Häfen
-
eine
literarische
Kreuzfahrt,
Eichborn
Berlin,
188
Seiten,
24,95