Entdeckung einer Freundschaft
admin | Posted 14/04/2008 | Biografien | Keine Kommentare »
Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof können nicht mehr widersprechen, wenn
Jutta Ditfurth ihnen jetzt die "Geschichte einer Freundschaft"
andichtet. Ihr Buch "Rudi und Ulrike" (Droemer) gehört in der
Bücherflut zum 40. Jahrestag der "68er" Studentenbewegung sicherlich zu
den merkwürdigsten Veröffentlichungen.
Das Buch ist ein Etikettenschwindel, da von konkreten Hinweisen oder
Belegen dieser angeblichen Freundschaft in den Jahren von 1967 bis 1969
so gut wie keine Rede ist – dafür umso mehr von Vermutungen und
konstruierten Zusammenhängen und parallel erzählten Biografien. Im
vergangenen Jahr hatte Ditfurth bereits eine durchaus fundierte und
lesenswerte Meinhof-Biografie vorgelegt.
Dass Dutschke und Meinhof zu den Protagonisten und Meinungsführern der
68er Bewegung gehörten, deren Wege sich bald in völlig verschiedene
Richtungen trennten (zum Marsch durch die Institutionen" bis zu den
Grünen beziehungsweise zum Terror der "Roten Armee Fraktion"/RAF) ist
bekannt und wird von Ditfurth noch einmal in aller Ausführlichkeit
geschildert. Natürlich gab es da zeitweilige Gemeinsamkeiten, Treffen
und Diskussionen wie im Berliner SDS-Zentrum oder im Republikanischen
Club ("möglicherweise war auch Ulrike Meinhof unter ihnen"), alles
andere wäre bei so herausragenden Figuren der damaligen
Außerparlamentarischen Opposition – Dutschke als ihr leidenschaftlicher
und einnehmender Rhetoriker und Meinhof als vielbeachtete
"Konkret"-Kolumnistin – auch verwunderlich gewesen.
Ein erotisches Interesse habe Meinhof nicht gehabt, betont Ditfurth
immerhin, sie habe Dutschke als einen "brüderlichen Freund" geliebt,
"das soll ja zwischen Männern und Frauen auch vorkommen". Aber von
einer engen Freundschaft oder Verbindung zwischen den beiden wissen
damalige Wegbegleiter und Zeitgenossen nichts, auch Dutschkes Witwe
Gretchen nicht. "Da gab es vielleicht fünf Treffen insgesamt, das war
eine Bekanntschaft und nicht eine Freundschaft", sagte sie der
Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin am 40. Jahrestag des Attentats
auf ihren Mann vom 11. April 1968, an dessen Spätfolgen Rudi Dutschke
am 24. Dezember 1979 starb. Ulrike Meinhof wurde am 9. Mai 1976 erhängt
in ihrer Zelle aufgefunden.
Auch Dutschke-Sohn Marek, der erst kurz nach dem Tod seines Vaters
geboren wurde, hört davon zum ersten Mal. "Nach allem, was ich weiß und
gehört habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass da eine enge
Verbindung zwischen meinem Vater und Ulrike Meinhof gefunden werden
kann, persönlich sowieso nicht", sagte er der dpa in Berlin. "Ihre
Freundschaft war nur wenigen bekannt", hält Ditfurth in ihrem Buch
dagegen. Dutschke saß mal auf dem Beifahrersitz in Meinhofs Auto oder
beim Berliner Vietnamkongress neben ihr und Meinhof versuchte auch mal
ihn zu interviewen. "Sie mochte ihn. Sie dachten in vielem ähnlich und
wo nicht, konnte sie sich mit ihm glänzend streiten…Ulrike Meinhof
verstand genau, was Rudi Dutschke meinte. Er wurde ihr Bruder im
Geiste, bald ihr bester Freund."
Und dann kommen in Ditfurts Buch immer wieder eher lächerliche
Vermutungspassagen wie "Meinhof könnte am 24. November 1967 im Audimax
der Hamburger Universität gewesen sein, als Rudi Dutschke sich auf
Einladung der "Zeit" mit Rudolf Augstein, Ralf Dahrendorf und anderen
auf dem Podium stritt" oder "Eineinhalb Jahre später las Ulrike Meinhof
dasselbe Buch". Mit ihrer letzten Meinhof-Biografie wollte die
Mitbegründerin und frühere Vorsitzende der Grünen eigenen Worten
zufolge "Mythen zerstören". Mit "Rudi und Ulrike" versucht sie, einen
neuen Mythos über Dutschke und Meinhof als "Romeo und Julia der Apo" zu
begründen.
Jutta Ditfurth
Rudi und Ulrike – Geschichte einer Freundschaft
Droemer
Verlag, München 238 S., Euro 16,95