“Hinter den Schleiern Irans” – Tiefer Blick in eine fremde Seele
admin | Posted 21/04/2008 | Belletristik | Keine Kommentare »
München (dpa) – Spätestens seit US-Präsident George W. Bush den Iran im Jahr 2002 auf die "Achse des Bösen" setzte, ist die islamische Republik zu einem Fixpunkt der Angst und Bedrohung geworden: Ein heißblütiger Präsident, Mahmud Ahmadinedschad, provoziert den Westen, die Machenschaften der Mullahs beim iranischen Atomprogramm sind nebulös, ein Land erstarrt unter dem religiösen Regime, Frauen werden unter den Tschador gezwungen.
Was aber spielt sich hinter den Mauern Persiens ab? Einen tiefgründigen und sehr persönlichen Blick auf ein "verborgenes Land" wirft die Journalistin Christiane Hoffmann in ihrem Buch "Hinter den Schleiern Irans".
Hoffmann hat rund fünf Jahre in Teheran gelebt und dort für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" als einzige deutsche Korrespondentin gearbeitet. Den Leser nimmt die Autorin mit auf eine Reise, die von Macht, Krieg, Religion, Geburt, Sexualität und Tod, bis in die Tiefen der widersprüchlichen iranischen Seele führt.
Mit Vorurteilen und Prinzipien beladen kommt die Autorin zusammen mit ihrem Mann, einem Schweizer Diplomaten, 1999 nach Teheran und durchlebt einen Prozess fortschreitender Verunsicherung angesichts einer Gesellschaft, die sich wie eine persische Tänzerin verhüllt, den Schleier dann und wann lüftet, ihn aber im letzten Moment immer wieder vor ihr Antlitz zieht. "Je vertrauter Iran wird, desto rätselhafter erscheint das Land."
Natürlich will die Autorin den obligatorischen Mantel mit Kopftuch oder den Tschador, der von der Stirn an den ganzen Körper bedeckt, als Symbol der Unterdrückung der Frau ablehnen. Witzig ihre ersten Versuche, den Tschador mit Händen und Zähnen zusammenzuhalten. Dann die überraschende Erkenntnis: "Ich fühle mich im Tschador nicht unwohl." Zu einfach wäre es, den Schleier als diskriminierend zu verurteilen. So kommen auch Befürworterinnen des Schleiers bei ihr zu Wort.
Von Beginn an werden die Prinzipien der westlich aufgeklärten Autorin im Iran auf die Probe gestellt. Mehrere Jahre hatte Hoffmann als FAZ-Korrespondentin in Moskau gearbeitet. In Teheran wird sie als Ehefrau des Schweizer Botschafters nicht nur von den iranischen Behörden misstrauisch beäugt.
Auch in die westliche Diplomatenwelt der Empfänge und Wohltätigkeitsveranstaltungen fügt sich Hoffmann nicht ein. Sie führt als Journalistin ein gleichberechtigtes Leben neben ihrem Mann. Doch der Iran verändert auch die Autorin, die sich den islamischen Regeln unterwirft. "Ich bin, seit wir im Iran leben, immer unselbstständiger geworden."
Der Iran ist ein Land der Widersprüche: ein Frauenschwimmbad, in dem sich die Frauen sich "trotz der blickdichten Abgeschiedenheit" in den Umkleideräumen ihrer Nacktheit schämen. Trotz oder gerade wegen der körperlichen Scham verwenden die Iranerinnen unendlich viel Zeit auf die Perfektionierung ihrer Körper von Nasenoperationen bis zum Fett absaugen.
Wie aber lassen sich Islam und Moderne verbinden? Hoffmann beschreibt sowohl die offiziell verbotene Prostitution als auch die sexuelle Freizügigkeit der Teheraner Jugend, die zu Auswüchsen wie der sogenannten Zeitehe führt, die die Sittenregeln des Islam mit den Bedürfnissen der jungen Generation vereinbaren soll.
Philosophische Reflexionen über den Toleranz-Begriff wechseln sich ab mit der politischen Analyse des zerrütteten Verhältnisses USA-Iran und persönlichen Beschreibungen wie der Geburt ihrer zweiten Tochter in der Teheraner Diplomatenvilla.
Hoffmann räumt gründlich auf mit dem Glauben, dass die jungen Iraner Amerika als Vorbild sähen. "Die Iraner wollen nicht so sein wie wir", lautet ihr Fazit. "Die Dynamik von Anziehung und Abstoßung zwischen Orient und Okzident ist allgegenwärtig."
Die Autorin selbst hütet sich davor, den Iran aus dem Blickwinkel westlicher Kulturarroganz zu betrachten. Das macht ihr Buch in Zeiten der Polarisierung Westen-Islam zu einem seltenen authentischen Dokument über ein verborgenes Land.
Christiane Hoffmann
Hinter den Schleiern Irans
Einblicke in ein verborgenes Land
Dumont
320 Seiten