Porträt einer unkontrollierten Weltmacht
admin | Posted 14/04/2008 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Google ist im deutschsprachigen Europa noch populärer als in den USA.
Im Heimatland des Suchgiganten laufen zwei von drei Suchanfragen über
Google. In Deutschland "googlen" rund 90 Prozent aller
Internet-Anwender, in Österreich sind es immerhin rund 80 Prozent.
In den Augen des österreichischen Journalisten Gerald Reischl sind die
weltweit 17 000 "Googler", die das aufwendige Bewerbungsverfahren
überstanden haben, in einer Art "Villa Kunterbunt" gelandet, in der die
Bewohner mit kulinarischen Spezialitäten, Massagesesseln oder einem
Wäsche- und Bügelservice verwöhnt werden. "Google gilt als hipp, cool,
bunt freundlich und als der beste Arbeitgeber." Reischl fällt in seinem
Buch "Die Google-Falle" jedoch ein völlig anderes Urteil: "Hinter
Googles buntem Legofarbenen-Logo versteckt sich ein Unternehmen, das
gefährlich ist."
Reischl kommt zu diesem Schluss, nachdem er neun Monate lang über
Google recherchiert und etliche hochrangige Google-Manager interviewt
hatte, darunter den Forschungschef Peter Norvig, den
Datenschutz-Beauftragten Peter Fleischer sowie Google-Maps-Chef John
Hanke. Die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergej Brin sowie
Google-Chef Eric Schmidt konnte der Technologie-Ressortleiter der
österreichischen Tageszeitung "Kurier" allerdings nicht persönlich
sprechen.
In dem 192 Seiten starken Buch beschreibt Reischl die verschiedenen
Dienste und Anwendungen von Google, die aus seiner Sicht vor allem ein
Ziel haben, nämlich möglichst viele Daten der Anwender einzusammeln.
Google verteile "neben der kostenlosen Suchfunktion auch noch
Gratisprogramme – und nimmt sich im Gegenzug Informationen. Ohne uns
wirklich zu fragen. Gratis gegen Privatsphäre." Auf der Basis der
eingesammelten Daten könne dann Google seine Werbeeinnahmen und Profite erhöhen.
Das von Reichl beschriebene Geschäftsmodell treibt allerdings nicht nur
die weltgrößte Internet-Suchmaschine an, sondern liefert quasi für
jedes Web-2.0-Unternehmen den ökonomischen Treibstoff. Vor diesem
Hintergrund kann man auch den im dem Buch erwähnten Rat der
Internet-Expertin Esther Dyson an den Autor Reischl verstehen, er solle
doch mal ein Buch über die "soziale Plattform" Facebook schreiben.
Genauer unter die Lupe genommen hat sich Reischl den Algorithmus der
Google-Suchmaschine. Dieser funktioniert nach dem "PageRank", also der
Popularität einer Site, die auf der Basis der Verlinkung im Web
ermittelt wird. Es sei aber ein Mythos, dass dieser Suchalgorithmus
nicht willentlich beeinflusst werden könne. Reischl liefert für diese
These Beweise. Beim Suchbegriff "Turkey" zeige Google beispielsweise
zehn Monate im Jahr Seiten über die Türkei (engl. Turkey) auf den
vorderen Plätzen der Trefferliste. In den beiden anderen Monaten rund
um das amerikanische Erntedankfest ("Thanksgiving") würden dagegen
Truthahnrezepte (engl. turkey) nach vorne gestellt. Und es sei
sicherlich auch kein Zufall, dass Google zeitgleich zu einer
Auseinandersetzung mit dem Internet-Auktionshaus über
Online-Bezahlsysteme die eBay-Auktionen nicht mehr so weit vorne
gelistet habe wie die Monate zuvor.
In der Zukunft, schreibt Reischl, werde Google das
"PageRank"-Prinzip durch eine programmierbare Suchmaschine (PSE)
ablösen, "die alles weiß, was ich bislang mit ihr gesucht habe und
dementsprechend eine personalisierte Ergebnisliste erstellt". Diese
Vision, die Reischl spürbares Unbehagen bereitet, werde nur noch
überboten von dem Zukunftsszenario, dass Google alles daran setze, die
in der DNA festgelegten Erbanlagen eines Menschen digital zu erfassen
und für eine Google-Suche aufzubereiten.
Google selbst arbeite im Rahmen des Human Genome Projects der USA
an diesem Thema. Außerdem habe sich das Unternehmen 23andMe der
Genom-Suche verschrieben. Zu den drei Mitgründerinnen von 23andMe
gehört Anne Wojlciki, die Frau von Google-Mitbegründer Sergej Brin, die
von ihrem Mann "quasi als nachträgliches Hochzeitsgeschenk einen
3,9-Millionen-Dollar-Kredit" zur Finanzierung des Startup- Unternehmens
erhalten habe. Google und 23andMe würden die unter Experten höchst
umstrittene DNA-Analyse salonfähig machen.
Gerald Reischl: Die Google-Falle – Die unkontrollierte Weltmacht im
Internet
Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2008 192 S., Euro 19,95